2273 - Der gefallene Schutzherr
allein oder ließ sich nur stören, wenn seine Berater ihm wirklich wichtige Nachrichten brachten. Aber was konnte wichtiger sein als seine Unsterblichkeit?
Und jeden Tag wurde er sicherer, dass Enkrine es war, der ihn anlog. Er spürte es. Der Splitter hielt ihn jung. Er konnte es nicht beweisen, weil er Enkrine trug, aber er wusste es.
Er wusste so genau, was er dem Splitter zu verdanken hatte, dass er sich nicht einmal im Stellaren Spital diesbezüglich untersuchen ließ. Nur so genau, dass er Enkrine tötete, wusste er es nicht.
Es ist der Splitter!, wurde Enkrine nicht müde, ihn zu quälen. Er macht dich blind! Merkst du denn nicht, wie er auf dich einwirkt?
Welch lächerliches Winseln! Enkrine wusste, dass sein Herr nichts lieber täte, als ihn in den Staub zu treten und jede Zuckung seines Todes zu genießen.
Ja, ich weiß, dass du mich hasst! Aber der Hass und die Gier, sie machen dich blind! Spürst du es nicht? Spürst du es wirklich nicht? Der Splitter beeinflusst dich! Er hat dich bereits unter Kontrolle, und es wird von Tag zu Tag schlimmer! Deine Gedanken sind nicht mehr nur deine Gedanken!
Wie armselig!
So glaube mir doch! Gon-Orbhon will dich zu seinem Diener machen! Deshalb hat er dir den Splitter gegeben! Du bist verloren, wenn du ihn nicht ablegst!
Du bist es, der mich in den Wahnsinn treiben will!, reagierte Tagg Kharzani zornig. Aber es wird dir nicht gelingen! Eines Tages werde ich Bleiberecht in Satrugar erhalten, und dann bin ich dich endlich los!
Und was ist mit Kherzesch, deinem Schloss? Du liebst es doch!
Was ist das Schloss mit all seinem Prunk gegen die Unsterblichkeit? Die Ewigkeit?
Das war der Moment, in dem Enkrine verstummte.
Dafür wuchs, unbemerkt von ihm, etwas anderes in Kharzanis Geist heran; etwas, das ihn mehr und mehr unter seinen Einfluss brachte und seinen eigenen Willen brechen würde, wenn er sich nicht im letzten Moment besann.
Aber danach sah es nicht aus. Tagg Kharzani konnte nur noch ein Wunder retten.
Es geschah auf eine Weise, die er sich nie vorzustellen vermocht hätte - und die all seine hoch fliegenden Pläne mit einem Schlag zunichte machen sollte.
Kurz nachdem der Krieg zwischen Gon-Orbhon und dem langsam dahinsiechenden Schutzherrenorden begann, noch bevor Tagg Kharzani dazu kam, seinen Teil der Abmachung zu erfüllen und dem Verräter seine Truppen zu schicken, handelte ES.
Tagg Kharzani hatte es nicht gewagt, Enkrine abzulegen, zu verbannen oder gar zu töten. Er gestand es sich nicht ein, aber er war zu feige dazu.
Er merkte nichts von den Einflüsterungen des Hyperkristalls, und Enkrine schwieg. Es war seltsam und geradezu paradox, aber nun begann Tagg Kharzani manchmal, die ewig quälenden, verhassten Einflüsterungen seines Symbionten zu vermissen.
Auch wenn er versuchte, geistig mit ihm Kontakt aufzunehmen, Enkrine antwortete nicht mehr. Eine Zeit lang lebte Kharzani in der Angst, der Symbiont könne abgestorben sein, obwohl er ihn an seinem Körper spüren konnte. Das waren die wenigen Augenblicke, in denen ihm trotz des Nebels, der mittlerweile seinen Geist umfing, klar wurde, dass er zu seinem ungeliebten, aber doch stets loyalen „Partner" mehr Vertrauen hatte als zu Gon-Orbhons „Geschenk".
Diese Gedanken währten jedoch niemals lange. Sie wurden erstickt, ohne dass Tagg Kharzani es merkte.
Stattdessen plante er für seinen Eintritt in den begonnenen Krieg. Nicht nur er verfügte über Kybb-Flotten oder gar Titanen. Auch Gon-Orbhon besaß einige von ihnen, desgleichen der Orden in Jamondi. Aber er hatte die mit großem Abstand gewaltigste Streitmacht, und er hatte mehr Einfluss auf alle Völker und Gruppierungen der Kyybb als irgendjemand sonst.
Von ihm allein hing es ab, wie der Krieg ausgehen würde, aber er ließ sich zu viel Zeit.
Innerlich stand Tagg Kharzani auf Seiten des Aggressors, der den Orden gespalten hatte. Es war nicht nur, weil Gon-Orbhon ihm die Unsterblichkeit versprochen hatte und sein „Geschenk" ihn mehr und mehr geistig versklavte. Es war auch, weil er die noch lebenden Schutzherren hasste, allen voran Carya Andaxi und Gimgon. Um den Schein zu wahren und im entscheidenden Augenblick am effektivsten zuschlagen zu können, musste er allerdings noch Loyalität heucheln und so tun, als wolle er seine Streitmacht und seinen Einfluss dem ohnehin kaum noch zu rettenden Orden zur Verfügung stellen und auf seiner Seite kämpfen.
Unter anderem deshalb verlegte er seine Flotten, bis auf eine gewisse Zahl
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