2273 - Der gefallene Schutzherr
vernachlässigen müssen.
Er fand alles zu seiner Zufriedenheit vor. Die von ihm als Verwalter eingesetzten Kybb-Rodish hatten, Generation für Generation, das Schloss in Stand gehalten und sogar die noch ausstehenden Arbeiten zu Kharzanis voller Zufriedenheit ausgeführt. Zum Lohn ernannte er sechs von ihnen jetzt offiziell zu seinen „Prim-Direktoren" und gestattete ihnen, in seiner Nähe zu wohnen. Einmal am Tag rief er sie zum Rapport über alle anstehenden Arbeiten und was sonst noch in Arphonie geschah.
Ein besonderes Auge hatte er natürlich weiterhin auf das Demyrtle-System mit dem Planeten Graugischt. Er war bereit, mit aller Härte zurückzuschlagen, sobald die verhasste Carya Andaxi es wagen würde, offen gegen ihn vorzugehen.
Enkrine tadelte ihn heftig dafür. Er wurde zur Qual, und der Wunsch, diese ewig moralisierende Stimme zum Schweigen zu bringen, wurde übermächtig.
Aber er blieb unerfüllbar. Wenn Tagg Kharzani sich die Unsterblichkeit erhalten wollte, musste er es ertragen.
Er reiste zu den Zusammenkünften nach Tan-Jamondi II und erlebte mit, wie der Orden, eben noch zu neuer Blüte erwacht, die größte Krise seines Bestehens durchlitt - hervorgerufen ausgerechnet durch den bereits „abgeschriebenen" Gon-Orbhon.
Die Schutzherren oder Schildwachen, die sich nach Amringhar begaben, kamen mit immer alarmierenderen Nachrichten zurück. Zuerst mussten sie feststellen, dass Gon-Orbhon tatsächlich noch lebte, aufgegangen im Nocturnenstock Satrugar. Doch die neue Wesenheit, die aus dieser Verschmelzung entstanden war, hatte nichts mehr gemein mit dem Schutzherrn und seinen moralischen Grundsätzen.
Sie war zu einer von Grund auf bösartigen Entität mit unvorstellbarer geistiger Kraft mutiert.
Damit war die Kleingalaxis Amringhar faktisch für den Orden verloren, und es war nur eine Frage der Zeit, bis es „offiziell" war: Fünfzig Jahre nach Ende des Kriegs der Superintelligenzen entstand aus dem Dom die Bastion von Parrakh - und das Imperium Orbhon wurde ausgerufen.
Die Spaltung des Schutzherrenordens war damit perfekt, und der Niedergang vollzog sich von da an unaufhaltsam.
Uralt Trummstam, von dem es immer geheißen hatte, sein Leben sei untrennbar mit dem Schicksal des Ordens verbunden, begann zu kränkeln.
Zwei Jahre später verschwand das Paragonkreuz von Tan-Jamondi II.
Uralt Trummstam starb.
Das Schicksal des Ordens schien besiegelt.
Tagg Kharzani kehrte wieder einmal auf sein Schloss zurück, und diesmal blieb er fast nur noch dort. Es gab nichts mehr für ihn zu tun in der großen Galaxis Ammandul. Gimgon, Lyressea und einige der anderen stemmten sich zwar noch gegen den Untergang, aber sein eigener Glaube an den Orden war endgültig erloschen.
Er widmete sich dem weiteren Ausbau seines Schlosses zu einer uneinnehmbaren Bastion und verstärkte weiter seine Flotten, gemahnt und getadelt, angegriffen und bis aufs Blut gequält von Enkrine. Hass wuchs auf den Symbionten - und auf sich selbst, weil er seinem Dilemma, dem ewigen Fluch, nicht entkommen konnte.
Es sollte dreißig Jahre dauern, bis sich ihm die Chance bot, das zu ändern.
Tagg Kharzani hatte ganz Kherzesch in Alarmzustand versetzen lassen, als ihm der Einflug eines fremden Raumschiffs ins Kher-System gemeldet wurde. Kybb-Schiffe stiegen auf, um den Ankömmling zu eskortieren, der sich nicht mit Namen meldete, sondern nur als „Boten des Gottes Gon-Orbhon" identifizierte.
Ausgerechnet Gon-Orbhon!, dachte, Kharzani. Einst der ewig vorbildliche Schutzherr, der strahlende Held neben Gimgon - und nun ein Monstrum, das den Orden gespalten hatte.
Was, bei allen Galaxien, konnte er von ihm wollen?
Der „Bote" war ein Arveze, ein über zwei Meter großes, löwenmähniges, humanoides Wesen mit extrem langen Beinen und filigranen Händen und Fingern. Kharzani kannte natürlich dieses Volk aus Amringhar.
Er ließ ihn in einen seiner prächtigen Säle führen und sein Anliegen - beziehungsweise das seines Herrn - vortragen. Tagg Kharzani konnte sich nicht vorstellen, dass es für ihn von Interesse sein sollte. Er hatte mit Gon-Orbhon nichts mehr zu tun. Gon-Orbhon, der sich jetzt „Gott" nennen ließ, hatte sein Herrschaftszentrum in Amringhar und er in Arphonie.
Dazwischen lagen nicht nur räumlich gesehen Welten. Doch dann wurde er hellhörig. „Mein Herr", erklärte der Arveze, „kennt deinen sehnlichsten Wunsch, und er glaubt, dass er ihn erfüllen kann."
Was sollte das? Kharzanis sehnlichster Wunsch -
Weitere Kostenlose Bücher