2274 - Motoklon Hundertneun
bevor sie zupacken, auf benachbarte Container."
Der Motoklon zögerte scheinbar. „Meine Energie ..."
„Mach, bis du nicht mehr kannst. Gib alles! Spar dir bloß ein letztes Quäntchen auf, damit du dieses mykothermale Kraftwerk erreichen und ... tanken kannst."
Noch immer bewegte er sich nicht. Selbst die Rechenprozesse, das Abwägen und Abschätzen, schien Hundertneun nunmehr schwer zu fallen. Unendlich langsam setzte er sich in Bewegung. Und bewies Lyressea im nächsten Augenblick, wie sehr sie sich täuschte.
Der Motoklon hatte lediglich eine Route berechnet. Mit einem gewaltigen Satz sprang er von einem Dach zum nächsten. Berührte scheinbar spielerisch eine Trosse, ließ sie ausschwingen, zerriss kurz nacheinander die Dächer zweier Container. Fixierte die schwingende Stahlkette, holte eine andere heran, wechselte sie sozusagen aus, schwang sie aneinander vorbei. Huschte weiter, plötzlich wieder leichtfüßig wie ein Balletttänzer, flink wie ein Waldtier. Zerstörte, balancierte über Containerreihen, fixierte, tauschte aus. So rasch, dass Lyressea kaum folgen konnte, sprang Hundertneun durch die Halle.
Es dauerte keine Minute.
Zum ersten Mal deutete der Motoklon an, wie viel wirklich in ihm steckte. Nicht, indem er in einem unheimlich anmutenden Vorgang den todbringenden Panikschock auslöste - nein, indem er handelte.
Perry Rhodan hatte der Medialen Schildwache von Icho Tolot, dem Haluter, erzählt. Von seiner Wucht, Präzision, Kraft und Intelligenz, die ihn zu einem unvergleichlichen Lebewesen machten.
Aber war er in seiner Effektivität vergleichbar mit... diesem Androiden?
Hundertneun beendete seinen scheinbar spielerischen Spaziergang, einen Rundmarsch durch nahezu die gesamte Halle. „Achtzehn Container zerstört. Vierundvierzig ausgetauscht. Dreihundert Scans vertauscht..."
„Vertauscht?! Was meinst du damit?"
„Ich habe einen Teil meiner Restenergie darauf verwandt, die Virtualscans ... der Absendebahnhöfe und Destinationen mit Infrarot zu verfälschen ... sie auch unkenntlich zu machen. Es wird also so aussehen, als sei ein Teil der Behälter niemals durch diese Station gekommen." Er machte eine lange Pause. „Ich vermute, das wird... hilfreich sein."
Sie blickte ihn fassungslos an. „Hilfreich?! Das ist schlichtweg genial! Aber bist du dir darüber im Klaren, dass du einen eigenen Gedanken gefasst und weiterverfolgt hast? Dass du wie ein Lebewesen ..."
„Keineswegs", unterbrach sie der Motoklon nüchtern. „Ich habe deine Bedürfnisse und ...
Notwendigkeiten nach Sicherheit und Ablenkung analysiert und extrapoliert. Ich habe Möglichkeiten zur Verbesserung unserer Situation durchgerechnet und bin zu einem Schluss gekommen, eine ... Variante deines Plans anzuwenden."
„Du hast mich aber nicht gefragt, sondern eigenmächtig gehandelt!"
„Weil ich dein Verhaltensschema durchschaut habe und mit mehr ... als achtundneunzigprozentiger Sicherheit annehmen konnte, dass du ... meinen Plan gutheißen würdest."
Lyressea biss die Zähne aufeinander. Für wenige Momente hatte sie das Gefühl verspürt, nicht einer entseelten Mordmaschine, sondern einem denkenden Partner gegenüberzustehen.
Doch die Ernüchterung nach seinen erklärenden Worten traf sie umso heftiger. „Gut", murmelte sie, „dann suchen wir endlich die passende Batterie für dich."
„Ja", sagte der Motoklon schlicht. „Und du musst mich führen."
„Wie bitte?" Lyressea hob die Augenbrauen. „Ich habe einen Teil meiner Verbraucher vorübergehend ... oder permanent abgeschaltet, um deinen Auftrag zu erfüllen. Ich kann nichts mehr sehen, mein Gleichgewichtssinn ist gestört.
Acht ... Prozent meines autoregenerativen Gewebes sind final zerstört. Und ich musste drei meiner acht Gehirnsysteme für immer stilllegen."
„Das heißt...?"
„Das heißt, dass ich... Wissen verloren habe und..."
„Und?"
„... dass ich über kurz oder lang meine... Denkprozesse nicht mehr werde umsetzen können.
Dass ich ... sterben werde."
10.
Die Dame rückt vor „Der Motoklon bewegt sich also im Untergrund", sinnierte Julcen. „Er nutzt die Containerstraßen."
Seine Berater, hauptsächlich Kybb-Giraxx, standen ihm im Halbdunkel der Einsatzzentrale gegenüber.
Sie auf der einen, er auf der anderen Seite.
Julcen setzte sich, mit seinem speckigen Rücken zur Wand. So wie immer. Die Angst vor einem Attentäter, der ihm das Messer in den Rücken rammte, war tief in ihm verwurzelt - und nicht ganz zu Unrecht. Die
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