2292 - Dreimal ewiges Leben
gezwungen, meinen Stuhl zurückzulassen. Mehr noch, ich muss ihn eintauschen.
Der zweite Motoklon tritt vor. Wortlos reicht er mir meinen Mikro-Gravoneutralisator und die beiden alten Krücken.
10.
Ewiges Leben (III) Erneut stehe ich vor der flirrenden Energiewand und stütze mich auf die Krücken, den Blick auf die drei Schemen gerichtet. Meine Achseln schmerzen schon. Wie beschämt ich bin, durch und durch. Nicht nur wegen des schrecklichen Traums über Enkrine, sondern vor allem deswegen, weil ich abgeschoben wurde, dort an Bord des neunten Titanen. Wie viel Hoffnung hatte ich in die Möglichkeit gelegt, meine Organe klonen zu lassen und so mein Leben zu verlängern. Jetzt, da Enkrine mir nicht mehr helfen kann. Und nichts davon soll sich verwirklichen lassen?
Wer ist hier eigentlich der Gefangene? Die drei ver mir, der Terraner, das Pelztier und der Koloss? Oder nicht eher ich, der ich stündlich gebrechlicher werde?
Sicher, die drei können ihr Gefängnis nicht verlassen. Gon-Orbhon hat sie eingesperrt. Sie haben keinen Kontakt nach draußen. Aber die drei haben alle Zeit der Welt.
Ich hingegen ... Mein Leben neigt sich dem Ende zu. Ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst. Keine Kraft hält mich mehr aufrecht, nicht einmal mehr Hoffnung.
Und dort, in Reichweite, befindet sich dreimal das ewige Leben.
Warum überlässt Gon-Orbhon mir nicht wenigstens den schwarzen Koloss? Er scheint mir am wenigsten wichtig zu sein. Ich könnte ihm den Aktivatorchip entnehmen. Wäre das nicht interessant? Wäre es nicht spannend zu erfahren, was geschieht, wenn man ihnen das ewige Leben nimmt? Ob sie dann sterben - und wie?
Aber ein anderes Interesse von Gon-Orbhon ist offenbar stärker.
Er will mich sterben sehen.
Was habe ich ihm getan? Stelle ich eine Gefahr für ihn dar? Oder verachtet er mich einfach nur für meine Schwäche, meine Gebrechlichkeit? Warum hilft er mir dann nicht?
Die drei Unsterblichen reden nicht mehr miteinander. Ihre Heiterkeit hat gelitten. Irgendwann ist jeder Witz gesprochen, jede Grimasse gezogen, und sie wissen, dass Gon-Orbhon jedes Wort übermittelt bekäme, das über seichtes Geschwätz und Banalitäten hinausgeht.
Ich starre sie an und verliere jedes Gefühl für Zeit.
Manchmal fahre ich erschrocken zusammen, weil ich vergessen habe, was ich sehe, weil ich vergessen habe, wo ich bin. Oft vermag ich über Minuten hinweg keinen klaren Gedanken mehr zu fassen ... starre nur auf die drei Gefangenen im Psi-Gefängnis, mit verzehrender Gier nach einem Aktivatorchip ...
Verflucht sei Deitz Duarto, der meine Stelle eingenommen hat!
Wäre er nicht gewesen, hätte ich meinen alten Status noch. Niemals hätte Gon-Orbhon es sich leisten können, mich so zu behandeln. Ich bin der Held von Arphonie, der Herr der Kyberneten, der Anführer unserer Flotte - und nicht irgendein Emporkömmling. 'Gon-Orbhon hat sein Herz an einen Emporkömmling gehängt. Ob Prim-Direktor oder nicht, er wird mir nie das Wasser reichen können. Ihm fehlt es an Größe.
Aber vielleicht ist es genau das, was Gon-Orbhon will? Vielleicht stelle ich ja wirklich eine Bedrohung dar? Immerhin war ich der integrierende Faktor für die Kybb. Seit Jahrtausenden.
Ich wäre es heute noch, wenn Gon-Orbhon mich nicht loswerden wollte.
Vielleicht betrachtet er mich als Nebenbuhler, den er beseitigen muss?!
Aber so einfach ist das nicht. Das weiß Gon-Orbhon auch. Er ist vorsichtig. Er wird sich nie auf die mentale Kontrolle allein verlassen. Er wird immer versuchen, eine natürliche Loyalität herbeizuführen. Und dafür braucht er jemanden wie mich -oder Deitz Duarto.
Wenn ich nicht mehr bin, wird Duarto nahtlos übernehmen.
Nicht, dass er sehr erfolgreich sein wird. Er hat nicht meine Persönlichkeit, nicht meine Erfahrung, nicht mein Wissen um die Wünsche und Bedürfnisse der einfachen Kybb.
Aber ich werde bald tot sein.
Es sei denn ... Mir kommt ein ketzerischer Gedanke.
Es sei denn, nicht ich werde sterben.
Was für ein Gedanke. Fast schon ein Plan. Duarto muss sterben, dann wird Gon-Orbhon gezwungen sein, mein Leben zu retten.
Dann hat er keine andere Wahl. Dann muss er mir einen der drei Aktivatorchips verschaffen.
Um sich die Loyalität der Kybb zu sichern.
Aber wie sollte Duarto wohl ums Leben kommen? Als extrem beschützter Prim-Direktor ...
Unwillkürlich lächle ich und stemme mich schwerer auf die Krücken.
Ich selbst muss Duarto ermorden und damit allen meine Überlegenheit
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