23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV
nicht.“
„Du denkst nicht klein und wirst mich drum verstehen. Ich war dein Feind; dein Leben galt mir nichts. Ich sah drin auf dem Tisch ein Messer, Scheren und noch anderes liegen, was in des Mörders Hand zur Waffe werden kann. Geh trotzdem jetzt hinein, und lege dich zur Ruhe, obgleich hier alles offenstehen bleibt. Ich aber setze mich hier auf das Kissen nieder und denke mich in meine Jugendzeit, in der ich rein von Schuld, ein gutes Kind, ein braver Mensch noch war. Ich will es wieder sein!“
Da reichte ich ihm abermals die Hand und sagte nichts als:
„Gute Nacht! Ich gehe schlafen!“
Er richtete sich hoch auf. Ich ging, durch das Mittelzimmer, wo ich die Lampe auslöschte, und dann nach der Schlafstube. Dort drehte ich mich noch einmal nach ihm um. Er stand genauso, wie der ‚Zauberer‘ im Traum, draußen vor der Tür und schaute mir nach.
„Gute Nacht!“ sagte ich noch einmal. „Gute Nacht! Allah segne dich, Effendi!“ klang es zurück. Dann ging ich weiter, in die Stube hinein.
Ich schlief sehr gut und sehr lang. Als ich erwachte, schaute mir die Sonne freundlich in die Augen. Ich dachte sogleich an die Gestalt des Aschyk, wie sie draußen an der Tür gestanden hatte, kleidete mich schnell an und ging hinaus. Er war nicht mehr da. Die Stufen, welche von meiner Plattform aus hinüber nach dem Glockenweg führten, hatten es ihm ermöglicht, sich zu entfernen. Aber er war dann noch einmal hiergewesen, denn auf dem Tisch des Mittelzimmers lag ein Paket, welches nur von ihm sein konnte. Als ich den Umschlag auseinander genommen hatte, sah ich, was es wahr: die Beweise, Handschriften, Briefe und Dokumente, welche mir über das Treiben unserer Gegner von ihm versprochen worden waren. Ich erstaunte zunächst über die Menge dieser Sachen, sollte aber später, als ich sie las, über ihren Inhalt noch viel mehr erstaunen!
Jetzt zu lesen, war keine Zeit, denn heute war Sonntag, und ich sah schon einzelne Dschamikun nach dem Beit-y-Chodeh steigen. Ich tat also diese Beweise an einen sicheren Ort und ging dann hinten hinab, um mich zunächst den Pferden zu zeigen. Assil kam auf mich zugesprungen. Syrr blieb zwar stehen, wieherte aber kurz und freudig auf und erwiderte meine Liebkosungen. Ich holte ihm einige Äpfel und seine Gerste, nahm hierauf mein Frühstück ein und suchte hernach Dschafar Mirza auf, um ihn zu fragen, ob er mit nach dem Tempelberg gehen wolle. Er war mit großem Interesse bereit dazu, und so schlossen wir uns dem Peder an, welcher in gleicher Absicht im Hof mit uns zusammentraf.
Welch ein gottesdienstlicher Sinn unter diesen Dschamikun! Es gab noch keinen Priester, und doch stieg alles, was nicht unbedingt im Duar bleiben mußte, den Berg hinauf, zur Laienandacht, die erst später, bei gesicherten Zuständen, von berufenerer Hand geleitet werden sollte. Sie verlief unter zweimaligem Glockenklang, derjenigen ähnlich, welcher ich am vorigen Sonntag beigewohnt hatte, nur unterblieb heute alles weitere.
Auf dem Rückweg blieben wir an derselben Stelle stehen, von welcher aus mir Tifl die jenseits liegenden Ruinen gezeigt hatte. Heute waren sie mir bekannter noch als ihm. Ich erklärte Dschafar, wie man sich die Entstehung und den Zweck dieser Bauten zu denken habe, und freute mich darüber, daß er mich leicht begriff. Da fragte mich der Peder:
„Hat der Ustad schon von unserer Kirche zu dir gesprochen?“
„Von einer Kirche? Nein“, antwortete ich. „Das muß noch in weitem Felde liegen, sonst hätte er mir sicher etwas davon gesagt. Wohin soll sie zu stehen kommen?“
„Eben dort hinüber in die Ruinen. Grad in der senkrechten Linie des Alabasterzeltes.“
„Woher aber der Platz! Ah, ich verstehe. Die Ruinen sollen ja abgetragen werden! Die frommen Herren aus Chorremabad sträuben sich dagegen. Aber dann auch welch ein großartiges Material zum Kirchenbau! Nur müßte auch der Plan dieses Materiales würdig sein!“
„Das ist er auch; Effendi, das ist er auch! Der Ustad hat ihn selbst entworfen und jahrelang daran gezeichnet. Es wurde längst dazu gesammelt und gesteuert. Wir haben weit mehr zusammengebracht, als wir erwarten konnten, aber es reicht noch nicht einmal zum Beginn, viel weniger zur Vollendung. Die Bewältigung solchen Materials erfordert viel Zeit und sehr bedeutende Mittel.“
Da sagte Dschafar schnell:
„Mittel? Darf ich tausend Tuman beitragen?“
„Du? Als Moslem?“ fragte der Peder erstaunt und erfreut zugleich.
„Warum nicht, wäre das ein
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