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23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition)

Titel: 23 Lügen, die sie uns über den Kapitalismus erzählen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ha-Joon Chang
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Höhe, und das Transportwesen wird von Eis und Schneemassen lahmgelegt. Es gibt also keinen Grund zu der Annahme, dass kaltes Wetter für die ökonomische Entwicklung grundsätzlich besser ist als heißes. Das kalte Klima in diesen Ländern hemmt ihre Entwicklung nicht, weil sie über das Geld und die Technologien verfügen, um damit umzugehen (das Gleiche gilt für das tropische Klima in Singapur). Die Unterentwicklung Afrikas auf das Klima zu schieben bedeutet also, Ursachen und Symptome dieser Unterentwicklung durcheinanderzubringen – ein schlechtes Klima führt nicht automatisch zur Unterentwicklung; vielmehr ist die Unfähigkeit einer Regierung, mit dem herrschenden Klima fertig zu werden, ein Symptom für Unterentwicklung.
    Was die Geografie anbelangt, so ist häufig betont worden, dass viele afrikanische Länder vom Meer abgeschnitten seien. Was ist dann aber mit Österreich und der Schweiz? Beide gehören zu den reichsten Ländern der Welt, und beide haben keinen Zugang zum Meer. Der Leser mag nun antworten, diese Länder hätten sich deshalb so gut entwickeln können, weil sie über entsprechende Wasserwege verfügen, doch gilt dies grundsätzlich auch für viele vom Meer abgeschnittene afrikanische Staaten wie etwa Burkina Faso (der Volta), Mali und Niger (der Niger), Simbabwe (der Limpopo) oder Sambia (der Sambesi). Das Problem sind die mangelnden Investitionen in die Flussschifffahrt und nicht die Geografie selbst. Darüber hinaus waren auch skandinavische Staaten durch die im Winter zugefrorene See die Hälfte des Jahres über praktisch abgeschnitten vom Meer, bis sie Ende des 19. Jahrhunderts den Eisbrecher erfanden. Eine »schlechte Nachbarschaft« mag ihre negativen Auswirkungen haben, doch müssen diese ein Land nicht unbedingt lähmen – man betrachte nur das jüngste, rapide Wachstum Indiens, eines Landes, das in der ärmsten Region der Welt liegt (wie gesagt, ärmer als Schwarzafrika), in der es seit jeher ständig zu Konflikten kommt (erwähnt seien hier nur die lange Geschichte militärischer Konflikte zwischen Indien und Pakistan, die Anschläge maoistischer Guerillagruppen in Indien und der Bürgerkrieg zwischen Tamilen und Singhalesen in Sri Lanka).
    Viele Menschen reden vom Fluch der Ressourcen, doch zeigt die Entwicklung von Ländern wie den USA, Kanada und Australien, die über weit größere Ressourcenvorkommen verfügen als sämtliche afrikanischen Länder (vielleicht mit Ausnahme Südafrikas und der Republik Kongo), dass Ressourcenreichtum ein Segen sein kann. Zudem sind die meisten afrikanischen Länder hinsichtlich ihrer natürlichen Ressourcen gar nicht so gut aufgestellt – in weniger als einem Dutzend afrikanischer Staaten wurden bislang nennenswerte Mineralvorkommen gefunden. 5 Die meisten afrikanischen Länder mögen über vergleichsweise große natürliche Ressourcen verfügen, was aber einzig und allein daran liegt, dass sie so wenige künstliche Ressourcen wie Maschinen, Infrastruktur und ausgebildete Fachkräfte besitzen. Im 19. und 20. Jahrhundert schließlich waren diejenigen Regionen der Welt mit dem größten Wirtschaftswachstum ressourcenreiche Gebiete wie Nordamerika, Lateinamerika und Skandinavien, was nahelegt, dass es den »Fluch der Ressourcen« offenbar nicht schon immer gegeben hat.
    Ethnische Spannungen können das Wirtschaftswachstum zwar in vielerlei Hinsicht hemmen, doch sollte man ihren Einfluss nicht überbewerten. Ethnische Vielfalt und Spannungen sind auch andernorts etwas ganz Normales. Selbst wenn man die ethnischen Konflikte in Einwanderungsgesellschaften wie den USA, Kanada und Australien außer Acht lässt, muss man doch feststellen, dass viele reiche europäische Länder mit sprachlichen, religiösen und ideologischen Spannungen zu kämpfen haben. Insbesondere wenn, wie in diesen Ländern, nur wenige Gruppen aufeinandertreffen, besteht eine erhöhte Gefahr gewaltsamer Konflikte. In Belgien etwa gibt es zwei ethnische Gruppierungen (meinethalben drei, wenn man die winzige deutsch sprechende Minderheit mitzählt). In der Schweiz werden vier Sprachen gesprochen und zwei Religionen ausgeübt, und man blickt dort auf eine ganze Reihe meist religiös motivierter Bürgerkriege zurück. Spanien hat ein ernstes Minderheitenproblem mit den Katalanen und den Basken, das bisweilen sogar terroristische Züge angenommen hat. In Schweden lebt aufgrund der 560 Jahre dauernden Herrschaft Schwedens über Finnland (von 1249 bis 1809, dann fiel das Land an Russland)

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