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23 Uhr, York Avenue

23 Uhr, York Avenue

Titel: 23 Uhr, York Avenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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keinerlei Aufzeichnungen vor.
    Im Verlauf einer Erhebung im Bundesstaat New York 1934 (siehe Protokolle des Murphy-Komitees, Band I, Seiten 432-435) fanden sich Hinweise darauf, daß Dominick Angelo im Jahre 1891 den Boden der Vereinigten Staaten illegal betreten habe, indem er von einem Handelsschiff, auf welchem er als Koch arbeitete, an Land geschwommen sei. Die Unterlagen allerdings sind hinlänglich verworren - oder fehlen gänzlich und im Jahre 1896 kam Dominick zum erstenmal um seine Bürgerrechtspapiere ein; im Jahre 1903 wurde er amerikanischer Staatsbürger. Zu jener Zeit gab er an, von Beruf Kellner zu sein.
    Sein kriminelles Vorleben begann mit einer Festnahme wegen öffentlicher Ruhestörung (1904; keine Strafverfügung) und einer Verhaftung wegen Körperverletzung mit Tötungsabsicht (1905; Anklage zurückgezogen). Im Jahre 1907 wurde er abermals verhaftet; die Anklage lautete auf schwere Körperverletzung mit Verstümmelungsabsicht (er hatte sein Opfer kastriert). Er wurde vor Gericht gestellt, verurteilt und verbüßte (Häftlingsnummer 46783) zwei Jahre, sieben Monate und vierzehn Tage in der Strafanstalt Dannemora. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis - diese Vermutung liegt nahe, ist aber unbeweisbar - dürfte er sich der Schwarzen Hand angeschlossen haben. Diese italienische Verbrecherorganisation auf amerikanischem Boden, die Vorgängerin der Cosa Nostra, setzte Dominick Angelo als button ein.
    [In ihrer Abhandlung Der amerikanische Slang und seine Ursprünge (Verlagsgesellschaft Hawley, Butanski & Effrim, 1958) legen die Verfasser auf den Seiten 38 und 39 dar, daß der Begriff button (wörtlich: der Knopf) in der Zeit von 1890 bis 1910 dazu diente, einen Henker in Gangsterkreisen zu bezeichnen. Das Wort erhielt diese Bedeutung möglicherweise durch die Vorstellung, ein solcher Mann sei durch seine Tätigkeit in der Lage, einem Spitzel oder sonstigen Feind »die Lippen zuzuknöpfen«. Später, in den zwanziger und dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts, so führen die Verfasser weiter aus, bürgerte sich in Verbrecherkreisen die Gewohnheit ein, mit den Begriffen buttons oder Mr. Buttons einen uniformierten Polizeibeamten zu bezeichnen.
    Im Jahre 1910 nahm Dominick Angelo eine Stellung bei der Alsotto-Sand- und Kiesgesellschaft in Brooklyn, New York, an, angeblich als Verlader. 1917 meldete er sich freiwillig zum Kriegseinsatz bei den amerikanischen Expeditionstruppen, doch aus Gründen seines Alters war seine Tätigkeit auf Wachdienste in den Docks von Bayonne, New Jersey, beschränkt. Im Jahre 1920 wurde er Vorarbeiter bei der Giovanni Shipping Enterprises, Inc., einer Seetransportfirma. Während dieser Zeit heiratete er Maria Florence Gabriele Angelo, eine entfernte Verwandte. Das erste Kind dieser Ehe, ein Knabe, kam 1923 zur Welt. Er fiel 1942 bei den Kämpfen auf der Insel Guadalcanal. Während des Zweiten Weltkriegs bot Dominick Angelo der Regierung der Vereinigten Staaten seine Dienste an; wie aus Archivdokumenten hervorgeht, war seine Hilfe bei den Vorbereitungen zur Invasion Siziliens und Italiens »unschätzbar« wertvoll. Es existiert ein Brief aus der Feder eines hohen Beamten des seinerzeitigen amerikanischen Uberseegeheimdienstes, in welchem seine »prachtvolle und einzigartige Mitarbeit« bescheinigt wird.
    Während der Zeitspanne von 1948 bis 1968 offenbaren amtliche Aufzeichnungen seinen raschen Aufstieg in jenem vorwiegend von Italienern beherrschten Gebilde, welches das organisierte Verbrechen in den Vereinigten Staaten kontrolliert; es war ein Aufstieg zu einer einflußreichen Machtstellung. Sich vom einfachen Soldaten zum capo und zum Don emporzuarbeiten, brauchte er weniger als zehn Jahre, und 1957 war er als unangefochtener Führer einer von mehreren »Familien« des Landes anerkannt. Sein persönliches Vermögen wurde verschiedentlich auf zwanzig bis fünfundvierzig Millionen Dollar geschätzt.
    Chronisten und Beobachter des organisierten Verbrechens in den Vereinigten Staaten - unter Namen wie die Schwarze Hand, das Syndikat, die Mafia, die Cosa Nostra, die Familie und so weiter geläufig - sind sich wohl darin einig, daß Dominick Angelo der geistige Vater, der Kopf und die treibende Kraft der damals eingeleiteten Umwandlung des auf roher Gewalt fußenden Systems in ein halblegitimes Kartell war, das in zunehmendem Maße auf die hemdsärmeligen Methoden der vorangegangenen Jahre verzichtete und immer mehr Kapital in Kreditgesellschaften, Realitätenbesitz,

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