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23 Uhr, York Avenue

23 Uhr, York Avenue

Titel: 23 Uhr, York Avenue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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sinkt ein, ich hab' eine Frau und drei Kinder, ich bin bei vier Klubs, ich spiele jedes Wochenende Golf, ich gehe mit meiner Frau zu den Abenden der Elternvereinigung, ich sorge mich um das Gras für die Gäule, ich hab' einen Pudel mit Würmern. In anderen Worten, ich bin ein biederer Bürger. Aber manchmal betrachte ich mich vor dem Spiegel - den Wanst, die Hängebacken, die fetten Schenkel, den schlaffen Schwanz … und dann denk' ich mir, ich war glücklicher in Korea.
    D'Medico: Pat, vielleicht gehörst du zu den Burschen, von denen du mir erzählt hast - zu den Burschen, die Spaß am Krieg haben.
    Angelo: Mag sein. Ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß ich sofort ganz aufgeregt bin, wenn ich von so etwas höre. Mein Gehirn beginnt zu arbeiten. Ich bin wieder jung. Ein Feldzug. Probleme. Pläne schmieden. Da ist schon was dran, wirklich. Aber ich würde mich nie entscheiden, ohne es mit Papa zu besprechen. Erstens bin ich ihm das schuldig. Zweitens … nun, er mag ja vielleicht hin und wieder mal mit einem fetten kleinen Jungen tagelang im Bett liegen, um sich warm zu halten, aber sein Verstand ist nach wie vor da - scharf und nicht zu knapp. Ich will es ihm überlassen. Er hat so gern das Gefühl, immer noch gebraucht zu werden, immer noch die Entscheidungen zu treffen. Jesus Christus, wir haben tausend Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder, die Entscheidungen treffen, die er nicht mal begreifen könnte - aber ein Problem wie dieses kann er begreifen. Also überlasse ich ihm die Entscheidung. Wenn er nein sagt, dann nein. Wenn er ja sagt, dann ja. Ich lass' es dich binnen einer Woche oder so wissen. Geht das in Ordnung?
    D'Medico: Aber natürlich. Hast du schon wen im Sinn, den wir Anderson als sechsten Mann mitgeben könnten?
    Angelo: Nein. Du?
    D'Medico: Einen Kerl namens Sam Heming. Ein Nichts. Nur Muskeln, kein Grips. Aber er ist einer von Paul Washingtons Burschen.
    Angelo: Ein Nigger?
    D'Medico:
    Allerdings ja, aber er geht gerade noch.
    Angelo: Warum ausgerechnet ihn?
    D'Medico: Ich bin Paul eine Gefälligkeit schuldig.
    Angelo: Linda Curtis also?
    D’Medico: Dir bleibt nicht viel verborgen, was?
    Angelo: Nein, Doc, nicht viel. Ich hab' nichts gegen diesen Heming, wenn er verläßlich ist.
    D'Medico: Er ist verläßlich.
    Angelo: Fein. Papa wird das nämlich wissen wollen. Ich werd' ihm sagen, daß du auf diesen Knaben fliegst. In Ordnung?
    D'Medico: Ja … wenn's nicht anders geht.
    Angelo: Es geht nicht anders. Jesus Christus, Doc, du zuckst ja wieder mal wie ein Verrückter mit deinem Gesicht. Kannst du da nicht irgendwas dagegen unternehmen?
    D'Medico: Nein. Nicht das geringste.
    Angelo: Bittere Scheiße. Ich muß laufen. Vielen Dank für das Essen und den vino.
    D'Medico: Es war mir ein Vergnügen. Ich hör' von dir in einer Woche oder so?
    Angelo: Sicher. Ach… übrigens, Doc, behalt Fred Simons im Auge.
    D'Medico: Ist irgendwas faul?
    Angelo: Noch nicht. Aber er hat in letzter Zeit mächtig tief ins Glas geguckt. Vielleicht ein bißchen mehr geredet, als ihm guttut. Nur ein freundschaftlicher Rat.
    D'Medico: Natürlich. Vielen Dank. Ich werd' ihm das ins Gedächtnis rufen.
    Angelo: Tu das mal.

32
    Tonband POM-9JUL68-EVERLEIGH. 9.Juli 1968; etwa 14.45 Uhr.
    Mrs. Everleigh: Ich hol dir einen großen Drink. Ich will, daß du eine Weile stillsitzt. Ich möcht' dir paar Bilder zeigen - mein Photoalbum.
    Anderson: Na schön.
    [Pause von sechzehn Sekunden.]
    Mrs. Everleigh: Hier … genau so, wie du's magst - mit einem Eiswürfel. Also los, dann wollen wir mal. Ich hab' dieses Album bei Mark Cross gekauft. Hübsch, nicht wahr?
    Anderson: Ja.
    Mrs. Everleigh: Hier … dieser Zinnsoldat. Das war mein Urgroßvater väterlicherseits. Er war im Bürgerkrieg. Das ist eine Hauptmannsuniform, die er da anhat. Das Bild wurde gemacht, als er auf Urlaub nach Hause kam. Dann verlor er bei Antietam einen Arm. Aber er durfte seine Kompanie behalten. Damals machten sich die Leute nicht sehr viel aus solchen Dingen.
    Anderson: Ich weiß. Mein Urgroßpappi hat die Second Wilderness mit einem Holzbein durchgemacht.
    Mrs. Everleigh: Dann, nach dem Krieg, kam er nach Hause und heiratete meine Urgroßmutter. Das hier ist ihr Hochzeitsbild. Ist sie nicht die winzigste, süßeste, hübscheste Braut, die du je gesehen hast? Zog in Rockford, Illinois, sieben Kinder groß. Und das hier ist das einzige Photo, das ich von den Eltern meiner Mutter hab'. Er war ein älterer Mann, hatte eine Gemischtwarenhandlung in der Nähe

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