23 Uhr, York Avenue
wie intelligent er bei seiner Arbeit vorging, wenngleich er, wie schon gesagt, ungebildet war…
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Unmittelbar nach den Ereignissen der Tatnacht war die Polizei bemüht, so schnell wie möglich zu beeideten Aussagen aller beteiligten Hauptpersonen zu gelangen; diese sollten die Einzelheiten noch frisch im Gedächtnis haben. Der einvernommene Personenkreis umfaßte die Opfer und die mutmaßlichen Gesetzesbrecher. Auf der Suche nach dem Angelpunkt des Vorhabens, jenes Appartementhaus in der York Avenue 1370 auszurauben, trat alsbald klar zutage, daß des Pudels Kern in der Wohnung 4 B zu finden sein mußte, deren Besitzerin Frau Martha Hathway war, eine Witwe, die 4 B zusammen mit ihrer Gesellschafterin und Haushälterin, Fräulein Jane Kaier, einer in Ehren ergrauten alten Jungfer, bewohnte.
Zum Zeitpunkt der Tat war Frau Hathway 91 Jahre alt.
Fräulein Kaier zählte 82 Lenze. Beide Damen weigerten sich beharrlich, sich einzeln befragen zu lassen oder getrennte Aussagen abzugeben; jede bestand auf der Gegenwart der anderen - in Anbetracht der Auswirkungen ihrer Vernehmung ein vergleichsweise erstaunliches Begehren.
Wie dem auch sei, die Aussagen beider Damen wurden zur selben Zeit festgehalten. Es folgt eine bearbeitete Niederschrift des Tonbands NYPD-SIS-Nr. 146-91 A.
Mrs. Hathway: Vorzüglich. Ich will Ihnen ganz genau erzählen, was passiert ist. Schreiben Sie das alles mit, junger Mann?
Frage: Der Apparat hier tut das, Gnädigste. Er nimmt alles auf, was wir sagen.
Mrs. Hathway: Hm, hm. Nun wohl… es war in den frühen Morgenstunden des ersten September. In der Nacht von Sonnabend auf Sonntag. Ich würde sagen, es war ungefähr ein Uhr früh.
Miß Kaier: Es war ungefähr fünfzehn Minuten vor eins.
Mrs. Hathway: Sie halten gefälligst den Mund. Ich erzähle das.
Miß Kaier: Sie erzählen es nicht richtig.
Frage: Meine Damen …
Mrs. Hathway: Es war ungefähr ein Uhr. Wir lagen seit, ach, seit zwei Stunden oder so im Bett und schliefen.
Miß Kaier: Na, Sie mögen geschlafen haben. Ich war hellwach.
Mrs. Hathway: So? Hellwach? Daß ich nicht lache! Ich hab' Sie schnarchen gehört!
Frage: Meine Damen, bitte …
Mrs. Hathway: Plötzlich wachte ich auf. Da war dieses Hämmern an unserer Wohnungstür. Ein Mann schrie: »Feuer! Feuer! Im Gebäude ist ein Brand ausgebrochen, und jedermann muß das Haus augenblicklich räumen!«
Frage: Ist das der genaue Wortlaut, wie Sie ihn damals hörten?
Mrs. Hathway: Na, so ähnlich jedenfalls. Aber natürlich war dieses »Feuer! Feuer!« eigentlich alles, was ich hörte, und so erhob ich mich augenblicklich und hüllte mich in meinen Schlafrock.
Miß Kaier: Zumal ich doch wachgelegen hatte, war ich selbstverständlich bereits passend gekleidet und stand an der Wohnungstür. »Wo ist das Feuer denn?« fragte ich durch die Tür. »Im Keller, gnädige Frau«, sagte dieser Mann, »aber es breitet sich rasch und überall im ganzen Haus aus, und wir müssen Sie ersuchen, Ihre Räume zu verlassen, bis das Feuer unter Kontrolle gebracht ist.« Also sagte ich zu ihm: »Und wer sind Sie, wenn man fragen darf?« Und er sagte: »Ich bin Brandmeister Robert Burns von der New York Stadtfeuerwehr, und ich soll dafür sorgen… «
Mrs. Hathway: Wollen Sie gefälligst eine Minute lang mit dem Schnattern aufhören? Diese Wohnung gehört mir, also hab' ich auch das Recht, zu erzählen, was passiert ist. Stimmt das vielleicht nicht, junger Mann?
Frage: Nun ja, Gnädigste, wir hätten natürlich gern beide…
Miß Kaier: »Und ich soll dafür sorgen, daß alle Insassen dieser Wohnung ihre Räume augenblicklich verlassen«, sagte er. Darauf sagte ich: »Ist es ernst?« Und er sagte - das alles ging durch unsere abgeschlossene Tür hin und her, verstehen Sie-, er sagte: »Nun ja, gnädige Frau, wir… «
Mrs. Hathway: Gnädige Frau!
Miß Kaier: »… wir hoffen«, sagte er, »daß es nichts allzu Ernstes werden wird, aber zu Ihrer eigenen Sicherheit empfehlen wir Ihnen dringend, in die Halle 'runterzukommen, während wir das Feuer unter Kontrolle bringen.« Darauf sagte ich: »Na schön, wenn Sie glauben, daß … «
Mrs. Hathway: Wollen Sie jetzt wohl den Mund halten, Sie einfältiges, schwatzhaftes Geschöpf? Seien Sie gefälligst mal still, damit ich diesem netten jungen Mann erzählen kann, was damals passiert ist. Nun denn, als ich sah, daß wir beide unsere Schlafröcke trugen, die uns angemessen und ordentlich bedeckten, und überdies unsere Hauspantoffel an hatten,
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