23 Uhr, York Avenue
mich, wie wir alle - arme Sterbliche, die wir sind von Furcht ergriffen werden, wenn wir in den Bannkreis eines Mannes geraten, der uns fühlen und wissen läßt, daß er mit einer fast übermenschlichen Kraft und Entschlossenheit gesegnet ist. Lassen Sie mich nur sagen, daß ich mir neben ihm minderwertig vorkam. Wären seine Intelligenz und die ihm angeborene geistige Wendigkeit in etwas konstruktivere Kanäle gelenkt worden, hätte er es meiner Ansicht nach sehr weit bringen können. Sehr weit, in der Tat. Ich will Ihnen ein Beispiel anführen…
Nach unserer zweiten vorbereiteten Zusammenkunft - sie fand am 28. August statt, wie ich glaube - ging ich mit ihm zur Untergrundbahn. Alles war bestens über die Bühne gegangen. Ich beglückwünschte ihn zu seiner detaillierten Planung, die ich für überragend hielt. Meiner Meinung nach, sagte ich ihm, müsse dieser Plan ein gerüttelt Maß an Denkarbeit seinerseits erfordert haben. Er lächelte, und dann sagte er folgendes - soweit mir der genaue Wortlaut noch erinnerlich ist… »Ja, ich leb' jetzt schon seit einigen Monaten mit diesem Ding, ich denk' jede wache Minute dran, und ich träum' sogar davon. Wissen Sie, nichts ist so wertvoll wie Denken. Sie haben ein Problem, das Sie plagt und Ihnen Kummer macht und Sie nicht schlafen läßt. Dann gibt's nur eins: Sie müssen zum alleruntersten Grund dieses Problems 'runtertauchen. Als erstes knobeln Sie mal aus, warum es ein Problem ist. Sobald Sie das getan haben, ist es auch schon halb gelöst. Was zum Beispiel, glauben Sie, war das schwierigste Problem beim Aushecken des Plans, den Sie heut abend gehört haben?« Es mochte darin bestanden haben, deutete ich an, wie man mit dem Portier fertig werden solle, nachdem der Lastwagen in die Einfahrt gebogen sei. »Nein«, sagte er, »es gibt etliche gute Wege, wie wir das schaukeln können. Das große Problem, wie ich es sah, lag darin, wie wir mit den Mietern fertig werden sollten, die noch zu Hause waren. Und zwar, wie konnten wir in ihre Wohungen 'reinkommen? Ich stellte mir vor, sie alle hätten abgeschlossene Türen und auch Sicherheitsketten. Außerdem würd's immerhin nach Mitternacht sein, und ich könnt' mir ausmalen, daß die meisten von ihnen - besonders die alten Damen in Vier B und die Familie mit dem verkrüppelten Jungen in Fünf A - schlafen würden. Ich dachte an unsere Möglichkeiten. Natürlich konnten wir die Türen gewaltsam aufbrechen, sprengen. Aber selbst wenn ihre Telephone abgezwackt waren, konnten sie immer noch schreien und vielleicht die Leute im Haus nebenan alarmieren, bevor wir richtig durchs Holz gekracht waren. Ich konnte Sie bitten, die Schlösser mit Ihrem Besteck aufzuschließen - aber ich hatte keine Garantie, daß jedermann um diese Zeit schlafen würde. Irgendwer konnte Sie beim Arbeiten hören und zu schreien anfangen. Es war ein Problem, genau zu wissen, was wir tun sollten. Ich schlug mich mit diesem Ding drei Tage lang 'rum und saugte mir ein Dutzend Lösungen aus den Fingern. Ich hab' sie alle weggeschmissen, weil sie sich einfach nicht richtig anfühlten. Also tauchte ich dann 'runter zum alleruntersten Bodensatz des Problems, ganz wie ich Ihnen gesagt hab'. Ich fragte mich: Warum haben alle diese Leute Schlösser und Ketten an ihren Türen ? Die Antwort war leicht: weil sie Angst vor Kerlen wie mir haben - vor Gaunern und -Einbrechern und messerschwingenden Räubern. Schön, dachte ich mir als nächstes, wenn die Leute ihre Türen aus Furcht versperrt und verrammelt haben, was kann sie dann dazu bewegen, die Türen zu öffnen? Als ich zum erstenmal in diesem Haus gewesen war, hatte ich gesehen, und daran erinnerte ich mich jetzt, daß die Türen in den Stockwerken über der Halle keine Gucklöcher hatten. Die Türen der Ärzte im Hallenstockwerk hatten welche, aber die Türen darüber waren alle blind. Wer braucht schon Gucklöcher, wenn das Haus vierundzwanzig Stunden täglich von Portiers gehütet wird, wenn's eine versperrte Dienstbotentür gibt und all die andere Scheiße? Na also, dachte ich mir endlich, wenn Furcht die Leute dazu bewegt, ihre Türen abzuschließen, dann wird sie eine größere Furcht dazu bewegen, sie aufzuschließen. Und was schafft eine größere Furcht als der Gedanke, beraubt zu werden? Das war einfach. Die Lösung hieß: das Feuer.« Und das, mein sehr verehrter Herr, ist eines der Dinge, die ich Ihnen über den Mann zu berichten vermag, den ich als John Anderson kannte; daraus mögen Sie ersehen,
Weitere Kostenlose Bücher