23 Uhr, York Avenue
Einvernahme die Anwesenheit eines Rechtsberaters Ihrer Wahl wünschen oder sollten Sie sich mit der Absicht tragen, das Gericht zu ersuchen, einen solchen Berater zu bestellen, so wollen Sie das bitte jetzt äußern.
Mrs. Bingham: Nein… es ist schon gut so.
Frage: Ausgezeichnet. Aber Sie verstehen doch, daß es meine Pflicht ist, Sie von Ihren gesetzmäßigen Rechten in Kenntnis zu setzen?
Mrs. Bingham: Ja. Das verstehe ich.
Frage: Wollen Sie mir bitte Ihre Personalien angeben, damit diese protokolliert werden können? Wir brauchen Ihren vollständigen Namen und Ihren Wohnsitz.
Mrs. Bingham: Ich heiße Mrs. Gerald Bingham, und ich wohne in der Wohnung Fünf A, York Avenue eins- drei-sieben-null, Manhattan, New York.
Frage: Vielen Dank. Darf ich mich, ehe wir beginnen, nach dem Befinden Ihres Mannes erkundigen?
Mrs. Bingham: Nun… ich muß mich jetzt nicht mehr so sehr um ihn sorgen. Erst dachten sie ja, er könnte auf dem rechten Auge möglicherweise erblinden. Jetzt sagen sie, daß sein Augenlicht zwar erhalten, das Sehvermögen aber vielleicht beeinträchtigt bleiben wird. Doch er wird gesund werden.
Frage: Ich freue mich aufrichtig, das zu hören, gnädige Frau. Sie haben einen sehr tapferen Mann.
Mrs. Bingham: Ja. Sehr tapfer.
Frage: Fühlen Sie sich auch wohl, Mrs. Bingham?
Mrs. Bingham: Ja… es ist alles in Ordnung.
Frage: Wenn Sie diese Unterredung auf einen anderen Tag verschieben möchten oder wenn Sie zwischendurch gern mal eine kleine Pause einlegen würden, sagen Sie mir's bitte. Möchten Sie vielleicht etwas Kaffee… eine Tasse Tee?
Mrs. Bingham: Nein … es geht mir gleich wieder gut.
Frage: Fein. Nun möchte ich, daß Sie in Ihren eigenen Worten möglichst genau darlegen, was während des fraglichen Zeitraums geschah. Ich will mich bemühen, Sie dabei nicht zu unterbrechen. Lassen Sie sich getrost Zeit und erzählen Sie mir, was geschah - in Ihren eigenen Worten…
Mrs. Bingham: Es war der einunddreißigste August. Die meisten Leute im Haus waren über das Labour- Day-Wochenende verreist. Wir fahren nur sehr selten irgendwohin, und zwar unseres Sohnes wegen. Er heißt Gerry - Gerald junior. Er ist fünfzehn Jahre alt. Mit zehn hatte er einen Unfall - er wurde von einem Lastwagen niedergestoßen -, und seither kann er seine Beine nicht mehr gebrauchen. Es besteht keine Hoffnung, sagen die Ärzte, daß er je wieder in der Lage sein wird, normal zu gehen. Er ist ein braver Junge, sehr intelligent, aber eben hilfsbedürftig. Er fährt im Rollstuhl, und manchmal bewegt er sich auf Krücken fort, aber immer nur für kurze Zeit. Von der Gürtellinie aufwärts ist er sehr kräftig, aber ohne Hilfe kann er nicht gehen. Also fahren wir nur sehr selten irgendwohin.
Frage: Und haben Sie keine anderen Kinder?
Mrs. Bingham: Nein. An diesem einunddreißigsten August ging mein Sohn etwa um Mitternacht zu Bett. Er las noch ein Weilchen, und ich brachte ihm ein Glas Coca-Cola, das liebt er nämlich heiß, und dann knipste er seine Nachttischlampe aus und wandte sich zum Schlafen. Mein Mann und ich waren im Wohnzimmer. Ich arbeitete an einem Petit-Point-Überwurf für einen Fußschemel, und mein Mann las irgendwas von Trollope. Diesen Trollope liebt er über alles. Nun, das ging so bis ungefähr Viertel nach eins, glaube ich. Aber ich bin mir nicht ganz sicher. Es hätte auch fünfzehn Minuten früher oder später sein können. Plötzlich wurde mit Fäusten gegen unsere Wohnungstür getrommelt. Eine Männerstimme brüllte: »Feuer! Feuer!« Es war ein sehr grausamer Einfall, das zu tun.
Frage: Ja, Mrs. Bingham, das war's auch.
Mrs. Bingham: Mein Mann sagte: »Oh, mein Gott!« und sprang auf die Beine. Sein Buch ließ er achtlos auf den Boden fallen. Er stürzte zum Eingang vor, hakte die Sicherheitskette aus, schloß die Tür auf und öffnete sie. Und da standen zwei Männer mit Masken vor den Gesichtern. Von dort aus, wo ich saß, konnte ich sie sehen. Ich saß noch immer im Lehnstuhl. Ich hatte nicht so schnell reagiert wie mein Mann. Ich konnte die zwei Kerle sehen. Der eine, der weiter vorn stand, hatte seine Hand in der Rocktasche stecken. Sie hatten diese sonderbaren Masken auf, die über ihren Köpfen in einem Knoten endeten. Erst merkte ich das gar nicht, aber später wurde mir dann klar, daß es Strümpfe waren - Damenstrümpfe. Mein Mann blickte die beiden an, und er sagte wieder: »Oh, mein Gott!« Und dann… ja, dann schlug er auf den vorderen Kerl los. Er reagierte sehr schnell. Ich
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