231 - Der Preis des Verrats
Bosh. Dann wurde es still. Erst nach einer Weile ergriff Honeybutt wieder das Wort:
»Du machst dir ja Sorgen um mich, Bosh! Ich kann schon auf mich aufpassen! Nicht umsonst hat Mr. Black mir den kleinen Fischmac anvertraut… Komm schon her, du dickschädeliger Tölpel!«
So, so!, dachte Agat’ol. Kleiner Fischmac! Was auch immer das sein mochte, es hörte sich herablassend an. Grimmig benetzte er sein Gesicht mit Wasser. Dafür würde ich sie gern schlachten und von ihrem Fleisch kosten, dachte er. Seit seiner Ankunft im Capitol hatte er auf Fisch oder Fleisch verzichten müssen, um sich nicht zu verraten. Sie hatten ihm Gemüse und sogar Seetang aufgetischt, aber das konnte den nagenden Hunger in ihm nicht stillen.
Später , ermahnte er sich. Jetzt habe ich Wichtigeres zu tun. Weder Boshs Misstrauen, noch die gesteigerte Aufmerksamkeit Honeybutts konnten ihm jetzt noch gefährlich werden. Er kannte Crows Aufenthaltsort. Nun musste er sich nur noch absetzen und zu diesem Gebirgszug gelangen. Das war ein Problem, denn die Landschaft in dieser Richtung sah trocken aus und würde tagsüber im Sonnenglast liegen. Er brauchte ein schnelles Transportmittel…
***
24. Oktober 2524, Pentagon-Bunker, nahe Waashton
Es war vier Uhr morgens. Die Türen des großen Sitzungssaals in den Katakomben des Pentagon-Bunkers waren geschlossen. In der Vorhalle vertrieben sich die Wachhabenden die Zeit mit Pokern. Als Sergeant Percival Roots die Halle betrat, sprangen sie auf und salutierten.
Der schöne Sergeant, der auch als der beste Scharfschütze der Bunkerstreitmächte galt, näherte sich mit schnellen Schritten. »Weitermachen!«, befahl er. Während sich die Wachen wieder hinsetzten, deutete Roots auf die Flügeltüren. »Hat sich General Garrett inzwischen mal blicken lassen?«
»Nein«, antwortete ein junger Soldat mit kurz geschorenen Haaren. »Weder er, noch Captain Calypso, noch einer der zwanzig anderen, mit denen die Präsidentin sich da drinnen verbarrikadiert hat. Die Sitzung läuft jetzt gute…«, er sah auf seine Uhr, »… zehn Stunden! Scheinen schwerwiegende Entscheidungen zu sein, um die es da geht!«
»Ja.« Mehr sagte Percival Roots nicht dazu. Doch er dachte sich seinen Teil. Entscheidungen, von denen kleine Bunkersoldaten und Sergeanten ausgeschlossen blieben! Er verschränkte die Arme hinter den Rücken und strich abseits von den anderen in der Halle auf und ab. Diese Ungewissheit machte ihn wahnsinnig! Seit zwei Tagen herrschte Informationssperre. Niemand durfte den Bunker verlassen, niemand durfte in den Bunker hinein. Das Warum blieb ein Rätsel. Normalerweise fragten die Mitglieder der Bunkerstreitkräfte nicht danach.
Auch Percival Roots nicht. Er war fünfundzwanzig Jahre alt und seit frühester Jugend auf das Leben bei den Bunkerstreitkräften vorbereitet worden. Und zwar von General Diego Garrett höchst persönlich! Roots kannte seine Eltern nicht. Man erzählte ihm, sie wären an einer Infektion während einer Expedition gestorben. So wuchs er bei Garretts Familie auf. Der General behandelte ihn mehr wie einen ungebetenen Gast, als wie einen Sohn. Trotzdem brachte er ihm alles bei, was er für ein Leben als Soldat wissen musste. Dazu gehörte auch der Gehorsam, ohne Fragen zu stellen. Percival beherrschte ihn im Schlaf!
Ungeduldig blickte er zu den Flügeltüren. Normalerweise!, dachte er. Im Augenblick aber war nichts normal im Leben des Sergeanten. Er war verliebt! Und jede Stunde, die er seine neue Liebe nicht sehen, nicht berühren konnte, war eine vergeudete Stunde. Schon alleine die letzten Wochen waren für ihn eine Qual gewesen. Denn bisher hatte er seine Liaison geheim halten müssen. Wenn General Diego Garrett erfuhr, mit wem sein Ziehsohn sich in den dunklen Nischen von Waashton traf, würde er ihn hochkant aus dem Bunker schmeißen. Für den General kam sowieso nur eine Verbindung innerhalb der Bunkergemeinschaft in Frage.
Das Geräusch der Flügeltüren riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. Ein Mann in grauer Uniform schob einen Servierwagen mit leeren Gläsern und Flaschen in die Halle. Von drinnen hörte Roots die Stimme der Präsidentin. »… wir sind uns also einig, meine Herren. Es ist ein riskantes Spiel, aber ich sehe leider keine andere Alternative!« Es folgte zustimmendes Raunen. Percival ging näher an den Eingang heran, um besser lauschen zu können.
»Captain Calypso, machen Sie sich schnellstens daran, den Funkspruch für General Crow abzusetzen!«, befahl
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