231 - Der Preis des Verrats
Das Gute an der neuen Situation war, dass Torture sich nun in der ganzen Stadt frei bewegen konnte. Das Schlechte war, dass die wenigsten der anderen Anführer sich darüber bewusst zu sein schienen, mit welchem Feind sie es zu tun hatten.
Diese Unwissenden haben nicht das erlebt, was ich erlebt habe, dachte Rev’rend Torture, während er sein Motorrad nach Süden lenkte. Einzig dem verhassten Mr. Black und Präsidentin Cross nahm er ab, dass sie Tag und Nacht nach den Dämonen suchten. Er betrachtete sie als zeitweilige Instrumente Gottes. Von Trashcan Kid und Bürgermeister Stock dagegen erwartete der Inquisitor nur das Schlechteste: Sie frönten ihren sündigen Gelüsten und scherten sich einen Dreck um die Höllenbrut.
Daher galt sein erster Besuch stets den Lasterhöhlen, in denen sie sich aufhielten. Bei diesem Gedanken glitt ein grimmiger Ausdruck über das schmerzverzerrte Gesicht des Rev’rends. Mit aufheulendem Motor bog er in die Gasse, die zum Südtor führte.
***
»Nein, Stock! O Nein!« Die Riesenpranke von Lady Stock krachte auf den Tresen, dass sämtliche Gläser und Tassen darauf einen Sprung vollführten. In der bis auf den letzten Platz gefüllten Schänke wurde es augenblicklich still. Neugierige Blicke streiften den dicken Bürgermeister mit den roten Zöpfen und seine noch dickere Gattin, die von den meisten unter vorgehaltener Hand nur »Stockduck« genannt wurde. Die Hände in die Hüften gestemmt, standen sich die beiden an der Theke neben dem Eingang gegenüber.
»Ich werde dieses Pack nicht bedienen!« Lady Stock deutete mit ausgestrecktem Arm in eine Ecke der kleinen Schänke. Dort steckten Trashcan Kid, Loola und Dirty Buck ihre Köpfe noch dichter über der runden Tischplatte zusammen. Vergeblich bemühten sie sich, ihr Gelächter zu unterdrücken.
»Lass es gut sein, Darling! Dann werde ich das eben machen!« Missmutig drückte Bürgermeister Louis Stock sich an seiner Frau vorbei, um Gläser und Whisky zu holen. Doch sie ließ ihn nicht. Ihr massiger Körper schob sich zwischen ihn und das Regal mit den Flaschen. Ihr fülliger Busen klebte an seiner Brust. »Hast du vergessen, was sie mir angetan haben? Willst du die Ehre deiner Frau nicht verteidigen?«
Louis Stock wollte nicht! Das Einzige, das er wollte, war seine Ruhe. Darum hatte er auch seiner Gattin diese Schänke in der Ostgasse eingerichtet. Er wollte sie raus haben aus seinen Schnaps- und Tabakgeschäften, die er von der Parkhausruine im Westen der Stadt aus betrieb. Verzweiflung lag in seinem aufgedunsenen roten Gesicht, als er jetzt seine Frau ansah. Tränen funkelten in ihren Augen.
Stock seufzte. Er verstand ihre Wut. Die Trashcan Kids hatten sie während der Rev’rend-Kriege gefesselt und geknebelt, um an Whisky zu kommen. Aber das war lange her und das Ganze geschah damals mehr oder weniger zum Wohle des Volkes. [3]
Zärtlich strich er seiner Frau über die rosigen Wangen. »Das hatten wir doch schon besprochen, Darling! Vergiss einfach…«
»Besprochen?!« Mit einer barschen Bewegung schlug sie ihm die Hand weg. »So wie wir besprochen haben, dass die Hardy mit ihrem Piraten mir den ganzen Tag auf dem Kopf herumtanzt?« Diesmal deutete sie mit ihrem dicken Arm an die Decke, über der Miss Honeybutt Hardy und Sigur Bosh seit einiger Zeit wohnten. »Nichts da, Stock! Entweder du schmeißt die Kids jetzt raus oder ich gehe!«
Louis zog den Kopf ein. In seinem Rücken spürte er die Blicke der Gäste. Aus besagter Ecke drangen geprustete Worte an sein Ohr. Und vor ihm schwebte drohend das Gesicht seiner Frau. Sie sah sehr entschlossen aus! Was sollte er tun? Immerhin hatte er einen Ruf zu verlieren! Schließlich war er der Bürgermeister und der größte Schnaps- und Tabakhändler von Waashton.
Er nahm all seinen Mut zusammen. »Geh oder bleib! Ich werde jetzt die Gäste bedienen!«
Lady Stock gab ein zischendes Schnaufen von sich. Sie stampfte hinter dem Tresen hervor und griff sich ihre rosa Stola. »Wie du willst, Louis Stock! Aber dann brauchst du auch nicht mehr nach Hause zu kommen!« Ein letztes Mal deutete sie in den Schankraum. Diesmal auf Rev’rend Torture, der alleine in einer abgelegenen Ecke saß. »Und vergiss nicht, dem Pfaffen seine Milch zu bringen!« Mit diesen Worten machte sie kehrt und verließ die Schänke.
An der Tür stieß sie beinahe mit Sigur Bosh zusammen. »Guten Tag, Lady Stock!«
»Tzzz!«, war alles, was sie erwiderte. Dann war sie fort.
»Ärger?« Der Britanier setzte
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