231 - Der Preis des Verrats
die Präsidentin gerade. »Fahren Sie so weit hinaus, bis Sie den Wirkungsbereich des Störsenders verlassen haben.«
Sergeant Percival Roots wurde schlecht, als er ihre Worte hörte. Er klammerte sich an den Türrahmen. Doch es sollte noch schlimmer kommen: »General Garrett, Sie veranlassen umgehend, dass die Truppen in Marsch gesetzt werden, und sorgen für Blacks Verhaftung, wie besprochen. Das war’s, meine Herren…«
***
24. Oktober 2524, Appalachen
Eine weitere Nacht hatten Aiko Tsuyoshi und sein Vater in der geschützten Sandmulde zwischen den Felsen zugebracht. Jetzt dämmerte der Morgen herauf. Während sie gemeinsam Miki Takeos linken Arm anmontierten, hatten sich die beiden eine Menge zu erzählen gehabt. Mehr als sie in den letzten fünfundzwanzig Jahren miteinander gesprochen hatten.
Aiko war sich sicher, dass sein Vater ihn nicht alles wissen ließ, was inzwischen geschehen war – seit seiner Operation vor fast fünf Jahren, im Januar 2520. Und er war ihm fast dankbar dafür. Denn allein schon die Tatsache, dass er nichts weiter als eine Bewusstseinskopie war, während der echte Aiko bei den Kämpfen gegen eine außerirdische Spezies am Kratersee ums Leben gekommen war, belastete ihn über alle Maßen. (Auf Matts Flug zum Mars (MX 151) und auf dem Mars selbst (MX 156) gab es bereits zwei »Aiko-Kopien« mit demselben Wissenstand, von denen dieser aber nichts weiß.)
Jetzt lehnte Aiko Tsuyoshi an den Felsen und beobachtete die Morgensonne, die sich langsam über den Horizont erhob und die Appalachen illuminierte. Seltsam emotionslose Erinnerungen quälten ihn: Seine Freunde Matt und Aruula tauchten darin auf. Was war aus ihnen geworden? War Maddrax wirklich tot? Fragen, die sein Vater ihm nicht beantworten konnte; er glaubte nur zu wissen, dass Matt Drax im Orbit durch den EMP ums Leben gekommen war – und mit ihm Naoki, Aikos Mutter. Schwer vorstellbar für Aiko.
Mindestens genauso schwer war die Vorstellung, dass sich Honeybutt nach seinem Tod in einen anderen Mann verliebt hatte und ein Kind von ihm erwartete – ihr Zustand ließ keinen anderen Schluss zu. Aber zumindest das war nachvollziehbar: Niemand trauerte ewig um die verlorene Liebe.
Als wäre es gestern gewesen, erinnerte er sich an die Strapazen, die seine Geliebte damals auf sich genommen hatte, ihn nach Amarillo zu schaffen. [4]
Obwohl ihm wegen seiner zunehmenden Gedächtnislücken nur einzelne Stunden dieser Zeit gegenwärtig waren, hatte sich eine Nacht in sein Gedächtnis gebrannt: Er wartete damals in Downtown auf Honeybutt, die ein Transportmittel suchen wollte, weil er zu schwach zum Laufen war. Halbtot war er gewesen. Defekte Implantate störten unablässig seine Hirnströme und ließen nach und nach seine Hirnzellen absterben. Angst hatte er gehabt. Angst, dass Kareen Hardy ihn im Stich lassen würde. Angst, sie käme nie mehr zurück.
Und während er wartete, geriet er in Streit mit einem Cyborg namens Eriik. Der Bursche wollte ihn töten. Gerade rechtzeitig tauchte dann Honeybutt auf und rettete Aiko. Anstatt ihr zu danken, anstatt ihr zu sagen, wie froh er über ihre Rückkehr war, schnauzte er sie nur an. Ihren verletzten Gesichtsausdruck würde er nie mehr vergessen. Vermutlich hatte es damals viele solcher Situationen zwischen ihnen gegeben. Vielleicht hatte ihre Beziehung gar nicht bis zu seinem Tod gehalten…
Genau wusste Aiko das nicht, und es war auch besser, es nicht zu wissen. Fakt war, dass sie nun mit einem blonden Britanier namens Sigur Bosh zusammen lebte. Und dass sie glücklich war; das hatte er während seines kurzen Aufenthaltes in Waashton sofort erkannt.
»Bist du bereit?« Takeo war neben ihn getreten. Er legte seine Plysteroxhand auf die Schulter seines Sohnes.
»Du weißt, was ich von deinem Vorhaben halte, Vater! Wir beide allein können nie und nimmer die Anlage knacken, jetzt, da Crow ganz offensichtlich gewarnt ist.« Er wandte sich zu Miki Takeo um. »Sei vernünftig und verständige endlich die Running Men und die WCA! Gemeinsam könnten wir es schaffen!« Forschend betrachtete er sein Gegenüber. Die optischen Sensoren seines Vaters schimmerten in rötlichem Licht.
»Es ist sicherer für die Menschen, wenn sie in Waashton bleiben!«, antwortete Takeo. »Auch wenn es uns erwischt – mit dem, was wir von Crow und seinen Maschinen übrig lassen, werden sie fertig!«
Aiko Tsuyoshi erwiderte nichts. Nachdenklich schaute er an seinem Vater vorbei. So war er schon immer. Stur wie ein
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