232 - Höllisches Paradies
unter Wasser leben zu können. Ich habe allerdings weder Kiemen noch Schwimmhäute gesehen.«
»Was es auch ist«, knurrte Jack Ibrahim, »wir müssen einen Weg finden, es zu töten. Sonst kommen wir niemals von dieser Insel weg.«
»Glaubt es oder nicht«, warf der rothaarige Torm ein, »aber ich hatte den Eindruck, es wollte Matt nichts tun!«
»So verrückt es klingt«, ergänzte der Mann aus der Vergangenheit, »diesen Eindruck hatte ich auch. Da war eindeutig Intelligenz in seinen Augen.«
»Wir versuchen es morgen noch einmal«, schlug Jack Ibrahim vor. »Mit allen Waffen, die wir haben.«
Matt schüttelte den Kopf. »Zu riskant. So, wie das Ding vorhin die Kugeln geschluckt hat, reißt es uns in Stücke, bevor wir es mit Blei voll gepumpt haben. Aber es gibt einen anderen Weg.«
Die Menschen sahen ihn fragend an. Und Matt erklärte ihnen seinen Plan…
***
Warum habe ich ihn nicht getötet, diesen blonden Mann? Er war schwach, und ich habe seine Angst gespürt. Was hat mich zurückgehalten?
Die Schmerzen? Nein. Ich werde nicht sterben. Aber es wird viele Tage brauchen, bis die Wunden verheilt sind – bis ich mich erneut verändert habe. Es ist jedes Mal ein Verwirrspiel der Natur. Jede Verletzung bringt Wandel. Wird meine Brust danach von Panzerplatten geschützt sein?
Ich bin ein unsterbliches Wesen, das sich selbst regeneriert. Welch eine Gnade! Welch ein Fluch! Ein hungriges Monster bin ich – aber mit einem Verstand, der wie eine Glut in mir brennt. Der mich seit Jahrhunderten an den Rand des Wahnsinns treibt und im letzten Moment wieder zurückholt.
Meine Strafe ist es zu wissen, was ich bin!
Nur wenn sich mein Verstand davonschleicht und der Wut und dem Hunger das Feld überlässt, wenn ich Blut weine und die Welt um mich herum den Atem anhält, dann fühle ich so etwas wie Freiheit. Dann, wenn ich tobe! Wenn ich nicht mehr denke.
Lass uns die Nacht in Ruhe verbringen. Auch morgen geht die Sonne wieder auf. Dann wird das Spiel weitergehen.
Das Spiel um Fressen, Leiden und Wüten!
Dann hole ich nach, was ich heute versäumt habe. Die Menschen können mir nicht entkommen. Wenn ich Hunger habe, gibt es kein Entrinnen. Und der Hunger wächst…
***
15. Dezember 2524, Ashmore-Inseln
Die Morgensonne glühte rot am Horizont. Der Himmel färbte sich allmählich blau, das Meer lag ruhig da wie ein Spiegel.
Sie waren seit anderthalb Stunden unterwegs, immer an der Küste entlang: Matt, Aruula und sechzehn Crewmitglieder, darunter auch Jack und Zarah. Drei Männer waren als Wache beim Floß zurückgeblieben. Sie würden Signalraketen abschießen, wenn die Bestie bei ihnen auftauchen sollte.
Seit es gestern in den Fluten verschwunden war, hatte niemand mehr die Kreatur gesehen. Lebte sie überhaupt noch, oder war sie doch ihren Verletzungen erlegen? Dann machten sie den weiten Weg völlig umsonst. Immer wieder schaute Matt aufs Meer hinaus, dann wieder zurück. Nichts zu entdecken.
»Frühstück!«, erklang plötzlich eine Stimme aus der anderen Richtung. »Hier gibt es Beeren!«
Matt fuhr herum, ließ verwirrt den Blick schweifen – und entdeckte Liarys, eine junge Frau aus der HOPE-Mannschaft, die etwa hundert Schritte entfernt an der Baumgrenze stand und ihnen winkte.
»Verdammt, warum hat sie sich von der Gruppe entfernt?«, schimpfte Matt und ärgerte sich über sich selbst, dass er nicht besser aufgepasst hatte. »Wir sind hier nicht auf einer Besichtigungstour!«
»Sie wollte doch nur nach etwas Essbarem suchen«, entschuldigte Zarah ihre Freundin. »Sie hat mir versprochen, in Sichtweite zu bleiben.«
Matt verdrehte die Augen. Was für eine Dummheit! Er kam sich vor wie in einem schlechten Horrorfilm, in dem die Protagonisten sehenden Auges in ihr Unglück liefen. Ich weiß, da schleicht ein irrer Killer durch das Haus, aber ich muss unbedingt mein Kätzchen aus dem Keller holen …
Wie zur Bestätigung seiner düsteren Vorahnung erschien auch prompt der Killer: in Form eines Warobs, der in diesem Moment durch das Unterholz brach, nur wenige Meter von Liarys entfernt.
»Scheiße!«, erkannte nun auch Jack. »Das hat uns noch gefehlt!«
Liarys schrie mit schriller Stimme und stolperte, als sie herumfuhr und die Flucht ergreifen wollte, über ihre eigenen Beine.
Das wird ja immer besser! Matt hatte längst seinen Colt Python aus dem Holster gerissen und versuchte zu zielen – doch die junge Frau, die sich jetzt panisch hoch kämpfte, befand sich in der direkten Schusslinie.
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