2320 - Terra im Psi-Schauer
Winterpalästen der Hauptstadt kannte. Unter seinen Sohlen lag gefrorener Boden, von der Kälte platt gedrücktes Gras, Farne, gefrorener Schlamm mit kältekonservierten Insekten.
Marc lief Schlittschuh. In eleganten Schwüngen schlitterte er Fawn hinterher, die durch die Tundra eilte, als wolle sie zu Fuß bis zum Abend nach Moskau gelangen. Kein Wunder, die Projektion ihres Körpers besaß kein nennenswertes Gewicht. Noch nicht?, fragte er sich. Ihr taten die Füße nicht weh.
Der Capella G3 blieb immer weiter zurück.
Marc glaubte zu wissen, was Mondra Diamond in ihrer Abwesenheit tat. Sie erstattete der Regierung Bericht. In der Solaren Residenz saßen die Verantwortlichen auf glühenden Kohlen.
Noch blieb im Großraum Sol alles ruhig.
Kein fremdes Schiff zeigte sich, kein weiterer Obelisk näherte sich. Liga-Verteidigungsminister Bull rechnete sowieso mit größeren Pötten, etwa einer Kolonnen-Fähre.
Und irgendwann, das ergab sich zwingend aus dem Auftrag der Terminalen Kolonne, würde ein solcher Koloss die Einzelteile eines neuen Kolonnen-Forts absetzen, dann- aber wohl unter dem Schutz eines Chaos-Geschwaders. Und dagegen besaß die Heimatflotte der LFT nichts,, was sich einzusetzen lohnte.
Und er, Marc London, der einzige Mensch, der bisher einen intensiven Kontakt zum Dualen Kapitän gehabt hatte, rannte in Sibirien über den Permafrost, seiner Angebeteten hinterher, deren Umrisse sich nach und nach hinter Nebelschleiern verloren.
Marc hörte das leise Singen des Gleiters näher kommen. Mondra reagierte mit der Entschiedenheit einer Frau, die solche Einsätze gewohnt war. Der Capella G3 schoss an ihm vorbei, stieß in die Schwaden vor, beschrieb einen weiten Bogen und kehrte zurück. „Wundere dich nicht", hörte er Mondras leise, rauchig klingende Stimme. „Ein paar der siebzigtausend Satelliten im erdnahen Orbit könnten manipuliert sein, meint Noviel Residor. Dann wissen die Verfolger ständig über unseren Aufenthaltsort Bescheid."
„Verfolger!", echote Marc. „Die Typen bei Schohaakar ...?"
„Genau die."
„Was können die von uns wollen?"
„Frag lieber, wen können die von uns wollen!"
„Fawn? - Aber warum?"
„Hängt davon ab, wer sie sind, vermute ich. Wenn wir das wüssten, hätten wir sie vermutlich längst gefangen. So aber bewegen sie sich noch immer frei auf Terra. Natürlich nicht die, die unsere Gleiter verfolgt haben. Die sind längst abgetaucht. Andere nehmen ihre Plätze ein, sie warten an anderen Orten auf uns."
Dass es trotz der erhöhten Hyperimpedanz und der dadurch erschwerten Raumfahrt nach wie vor Agenten zahlreicher Organisationen und Machtblöcke auf Terra gab, hatte Marc in HWG-01 auf der Rückseite des Mondes selbst erlebt. Die Station war damals nur knapp der Vernichtung entgangen.
Terras Schicksal hing seit Monaten an einem seidenen Faden. Daran würde sich vorerst nichts ändern.
Marc stolperte weiter. Er sah dichte Schwaden vor sich, weißgraue Nebelfetzen, die ihre Tentakel gierig nach ihm ausstreckten. Er wollte ausweichen, aber da tauchte übergangslos ein Schatten vor ihm auf, etwa einen Meter groß und ziemlich rund: Fawns gekrümmter Rücken.
Sie kniete am Boden und wischte mit den Händen über das Gras. Mitten in der Kälte wuchsen kleine Blumen.
Fawn Suzuke befand sich am Rand eines dunklen Flecks, dessen Durchmesser Marc auf mindestens hundert Meter schätzte.
Hier besaß der Permafrost ein Leck. Der Boden war warm, immer wieder stiegen Nebelschwaden empor.
Marc London kauerte sich neben sie.
Vorsichtig fuhr er über die winzigen hellblauen Blütenblätter mit den gelben Tupfen. „Ich würde dir gern ein paar davon pflücken. Aber es sind die einzigen in dieser Gegend. Ich verzichte wohl besser darauf."
„Hier ist es leer", murmelte Fawn. „Ich glaube, hier finden wir nichts."
„Sind sie nicht schön?" Marc legte ein wenig mehr Eindringlichkeit in seine Stimme. „Sie funkeln. Ich kann sie deutlich sehen, jeden Einzelnen."
„Ach Fawn." Sie erhoben sich. Marc berührte das Mädchen flüchtig an der Schulter. Sie warf den Kopf zurück, ihre einzige Reaktion. Irritiert trat er einen Schritt zur Seite. „Was ist?", hörte er Mondra sagen. „Seid ihr bald fertig?"
Spielverderberin!, dachte er. Aber im Grunde konnte er sie gut verstehen. Sie opferte ihre Zeit für Fawn und ihn, die sie anderweitig bestimmt mit greifbareren Ergebnissen hätte einsetzen können.
Fawn marschierte weiter, Kilometer für Kilometer. Es machte ihr
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