2320 - Terra im Psi-Schauer
nichts aus, sie wurde nicht müde. Kurz nachdem die Sonne untergegangen war, schien ihr Entschluss endgültig zu sein. Steif wie eine Puppe wandte sie sich um und stapfte zum Gleiter. „Hier ist es auch nicht."
Mondra schloss die Tür, erhöhte die Umlaufgeschwindigkeit der Warmluft und ließ den Gleiter in die Höhe steigen.
Marc war froh, endlich aus dem Schutzanzug schlüpfen zu können.
Mondra wandte ihnen den Kopf zu. „Wohin jetzt?"
„Europa", flüsterte Fawn, als gelte es, ein Geheimnis vor unbefugten Lauschern zu bewahren.
*
Sie tauchten plötzlich aus dem Nichts auf, zwei schlanke Gestalten in ähnlichen Anzügen, wie Marc und Fawn sie in der Tundra getragen hatten. Für einen winzigen Augenblick schienen sie in der Luft unweit von Paris stillzustehen. Es reichte aus, kurz zum Gleiter herüberzuwinken, dann fielen sie steil abwärts, während der Gleiter seinen Weg fortsetzte.
Fawn hatte sie nicht bemerkt. Sie träumte in ihrem Sessel, während Mondra so tat, als sei gar nichts gewesen.
Marc hatte die beiden sofort erkannt: Trim Marath und Startac Schroeder, ihre fast immer unsichtbaren Beschützer.
„Hast du sie noch in der Ortung?", erkundigte Marc London sich. „Oder sind sie wieder teleportiert?"
„Von wem sprichst du eigentlich?"
Mondra schüttelte verwundert den Kopf. „Du siehst hoffentlich keine Gespenster"
„Natürlich nicht." Aber plötzlich war Marc sich da nicht mehr sicher. „Wir fliegen Richtung Bordeaux", sagte Fawn laut. „Ich glaube, da ist etwas."
Marc sah, wie Mondra ihr unschuldigstes Gesicht aufsetzte. „Ist das bei Ballungsgebieten nicht sowieso der Fall?"
Fawn Suzuke fuhr auf. „Du begreifst gar nichts."
Aber warum erklärst du's uns dann nicht?, fragte Marc sich.
Er suchte den Blickkontakt zu Fawn, aber die Monochrom-Mutantin wich ihm aus.
Sie senkte den Kopf, bis ihr Kinn die Brust berührte. Sie schloss die Augen als Zeichen, dass sie nicht gestört werden wollte.
Marc schlich nach vorn und setzte sich neben Mondra.
Er deutete auf ein Positronik-Interface vor dem Kopilotensitz. Darf ich?
Sie nickte auf seinen fragenden Blick und die Geste hin. Er rief die bisherigen Flugdaten auf, ließ die Positronik rechnen und hoffte immerfort auf ein Ergebnis. Es musste Anhaltspunkte geben, Übereinstimmungen zwischen den bisherigen Landeplätzen etwa.
Da war nichts, was zusammenpasste.
Mondra nickte nur. „Das habe ich alles schon durchgerechnet. Vergeblich."
Die ganze Spurensuche brachte nichts.
Wenn Fawn wenigstens ein Sterbenswörtchen von sich gegeben hätte ... Marc spürte Verzweiflung in sich. Wie konnte er es nur anstellen, die Frau, die er so sehr liebte, zu mehr Kooperationsbereitschaft zu bewegen?
Bordeaux war ein Reinfall, die Stadt aber nach wie vor eines der Schmuckstücke der modernen Welt, ein Schlosspark von Versailles im Format eines ganzen Mündungsgebiets, durchzogen von Hunderten oder Tausenden winziger Kanäle, den Girondellas, dazwischen kleine Siedlungen, die aus der Luft wie Puppenstuben aussahen. Die ganze Landschaft ordnete sich in konzentrischen Ringen um das Zentrum mit der historischen Kathedrale, hin und wieder durchbrochen von Parks und Schlössern.
Auf der anderen Seite des Stromes erstreckten sich die traditionellen Weinanbaugebiete des Medoc.
Italien war ebenfalls ein Reinfall. Um den Vesuv mit den Resten der Auseinandersetzung Terras mit Gon-O machte Mondra Diamond einen großen Bogen. Marc wusste, dass sie mit den Ereignissen am Vulkan zu tun gehabt hatte.
Marc kam es vor, als läge das alles Jahrhunderte zurück. Er war noch ein Kind gewesen, als sich all das abspielte, und nun war er ein Mann.
Einen ganzen Tag verbrachten sie damit, Europa abzusuchen. Mondra landete zwei Dutzend Male, bis Fawn endlich zufrieden war und Kurs auf die Ostküste des Mittelmeers nehmen ließ. Von der Negev aus ging es in den Sinai und dort rauf und runter, die arabische Halbinsel überflogen sie gleich zweimal. Fawn ließ die Libysche Wüste ansteuern, von dort ging es zurück nach Arabien. Der Capella G3 steckte alles ohne Murren weg.
Ein einziges Mal schien für ein paar Sekunden der Funkkontakt mit Terrania unterbrochen. Marc dachte sich nichts dabei, aber bei der nächsten Landung merkte er, dass Mondra Diamond ziemlich nachdenklich war. Sie ließ die Sensoren permanent alle Dünenkämme in der Nähe abtasten. Der Gleiter blieb in Startbereitschaft, während Fawn ihre einsame Spur durch den feinkörnigen beigegelben Sand
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