2320 - Terra im Psi-Schauer
Schauer rann seinen Rücken hinab, hinterließ für kurze Zeit eine Gänsehaut. Marc wusste wenig über diese Frau, aber es genügte, um ihn einen Hauch des Ewigen spüren zu lassen, ähnlich dem, was er beim emotionalen Kontakt mit dem Dualen Kapitän erlebt hatte.
Hieß es nicht, dass Mondra früher TLD-Agentin gewesen war? Wenn das stimmte, brauchten sie sich um ihren Schutz keine Sorgen zu machen. Gleichzeitig aber hatte die Regierung mit ihr die optimale Aufpasserin an Bord.
Mondra Diamond stieg vorn ein, Marc setzte sich neben Fawn. Langsam schwenkten die Flügeltüren nach unten.
Das Fahrzeug hob ab und schwebte zum Rand der Plattform. „Wohin?", erklang von vorn die leise Stimme der Frau.
Fawn schien nachzudenken. „Nach Osten", antwortete sie nach einer Weile.
Der Capella G3 schwebte ins Bodenlose hinaus. Die Plattform zwischen den zwei Auslegern blieb hinter ihm zurück. Marc warf einen Blick durchs Fenster. An den Zugängen zur Stahlorchidee standen Bewaffnete. Seit dem Überfall der Mikro-Bestien im Februar gehörten die Soldaten Tag und Nacht zum Stadtbild. Ihre Anwesenheit vermittelte den Menschen ein wenig Sicherheit und sollte gleichzeitig abschreckend auf heimliche Eindringlinge wirken.
Traitanks störten sich wohl kaum daran.
Marc London war überzeugt, dass es in Zukunft keine derart dilettantischen Angriffe wie durch die Mikro-Bestien mehr geben würde. Die Terminale Kolonne würde stärkere Geschütze auffahren.
Von Gucky wusste Marc ein paar Details über die Absicht des Dualen Kapitäns, die Regenten und Staatschefs der Milchstraße auf einen Streich auszuschalten und die Völker dadurch zu schwächen und abzulenken. Es war nicht gelungen.
Der Gegenschlag Terras war überraschend gekommen, das Kolonnen-Fort existierte nicht mehr. Wenig später war das Chaos-Geschwader eingetroffen, aber mangels Stützpunkt mit unbekanntem Ziel weitergeflogen. All das hatte den Menschen in der Heimat das trügerische Gefühl von Ruhe und Sicherheit vermittelt bis zu dem Tag, als der Dunkle Obelisk aufgetaucht war.
Seither war sie wieder da, diese innere Hast und Unruhe, die das Straßenbild in Terrania und überall sonst prägte. Es war wie zwischen zwei Vulkanausbrüchen.
Man wusste, der nächste stand bevor, aber man kannte den Zeitpunkt nicht.
Der Gleiter beschleunigte nach Osten, kreuzte nach 25 Kilometern den Edsengol und erreichte rund 15 Kilometer weiter den Goshun-Ring. „Jetzt nach Südosten!"
Marc sah Fawn von der Seite an. „Happytown? Ist das dein Ernst?"
Der Ruf des Vergnügungsviertels im Süden von Crest Lake City erreichte längst alle Welten der Westside.
Fawn gab ihm keine Antwort. Reglos saß sie im Sessel, und er musste sich erst wieder vergegenwärtigen, dass sie kein Wesen aus Fleisch und Blut war, sondern ein paraphysikalisches Spiegelfeld. „Tiefer!", klang es leise aus ihrem Mund.
Der Gleiter überquerte erst den Sirius River, dann den Atair Creek. „Landen! Dort vorn!"
Mondra Diamond tat es. Sie setzte den Gleiter mitten in der Waldzone eines kleinen Parks südlich vom Vain Subway ab. Die Flügeltüren schwenkten nach oben.
Fawn stieg aus. Sie drehte sich zweimal um die eigene Achse, dann ging sie mit raschen Schritten davon. „Fawn, warte!"
Marc wollte ihr hinterher, aber Mondra hielt ihn zurück. „Lass sie!"
„Nein!" Er fühlte sich für sie verantwortlich. Und er hoffte, sie würde schneller finden, was sie suchte, wenn er dicht bei ihr blieb und ihr die Kraft gab, die sie brauchte.
Marc stieg aus, aber da kehrte sie schon zurück, mit sichtlicher Eile, wie er bemerkte. „Nach Norden!"
Sie flogen bis Goshun-Ost, kreisten eine Weile auf dem vierten Level, folgten dann in niedriger Höhe der Antares Road nach Westen. Am Nordufer des Goshun-Sees ließ Fawn den Gleiter zum zweiten Mal landen. Eine Weile ging sie ruhelos am Ufer hin und her, rannte dann plötzlich los und stürmte auf die Landzunge, die in den See hinausragte.
Diesmal folgte Marc London ihr im Abstand von zehn Metern. Er keuchte bald, während die Projektion der Monochrom-Mutantin keine Anzeichen von Anstrengung zeigte. „Kann ich dir helfen, Fawn?"
Sie schien ihn nicht wahrzunehmen. „Hier? Nein, hier nicht!" Sie rannte zur Uferbewaldung, .tastete sich an den Bäumen entlang. Eine Weile stand sie unter dem Blätterwerk, dann kehrte sie entschlossen zum Gleiter zurück.
Marc blieb neben ihr. „Wenn ich dir irgendwie helfen kann, sag es mir einfach."
„Alles ist gut."
Sie flogen
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