2347 - Die HeiÃe Legion
rauen Stein, von dem Kälte ausging. Mehr denn je verstand er in diesem Augenblick, dass sich hier und jetzt das Schicksal der Enthonen und der Friedensfahrer erfüllte. Sondyselenes Symbol der verlorenen Vergangenheit konnte in eine verlorene Zukunft weisen - oder in eine neue Hoffnung. „Ich hörte, dies sei der Ort, an dem du die Hoffnung begraben hast."
„Nicht diejenige auf die Zukunft des Geheimbundes. Es ging um die Hoffnung, die einst Samburi, meine Tochter, verkörperte. Sie war das einzige Kind, das nach unserem Exodus und der Ankunft auf Rosella Enthon je einem Enthonen geboren wurde. Als sie ging, um als Gesandte der Kosmokraten das Universum zu durchstreifen, starb die Aussicht auf eine fruchtbare Zukunft der Enthonen. Seitdem sterben wir langsam aus. Langsam, weil wir langlebiger sind als andere Völker.
Glaub mir, zu manchen Zeiten habe ich diese Tatsache verflucht. Warum habe ich nicht längst sterben dürfen? Vielleicht wäre ich Samburi wieder begegnet, wer weiß das schon?"
Chyndor fasste die Hand des Patrons und schob sie beiseite. Er war erstaunt, dass Sondyselene ihn nicht daran hinderte. „Du hast in der Versammlung offen damit gedroht, den Revisor einzusetzen und alle Mitglieder der AGN aus dem Geheimbund auszuschließen."
„Es ist der normale Gang der Dinge. So war es immer, wenn jemand die Mittel missbrauchte, die wir zur Verfügung stellen, und so wird es immer sein."
Chyndor wartete kurz ab, ehe er die nächsten, folgenschweren Worte sprach. „Ich habe mit Polm Ombar gesprochen."
Zum ersten Mal zeigte der Patron Erschrecken. „Du kennst seine Identität?
Hat Kantiran ..."
„Es hat mit Kantiran nichts zu tun. Ich weiß seit langem, wer der Revisor ist.
Kantiran hat jedem gegenüber geschwiegen, nur seinen Freund Alaska Saedelaere eingeweiht. Doch darauf kommt es nicht an. Polm Ombar stimmt mir zu."
„Du ..." Der Patron sprach nur dieses eine Wort, wankte und stützte sich mit dem Rücken gegen die Skulptur.
Chyndor wusste, dass jedes weitere Wort ein Schlag ins Gesicht seines Gegenübers bildete. Doch er musste alle zu Gebote stehende Härte anwenden. „Wenn morgen das Palais Ellega wieder eröffnet wird, werde als Erster ich selbst zu der Versammlung sprechen. Ich werde mich gegen das Patronat stellen, auf die Seite der AGN."
„Es steht dir frei." Zum ersten Mal wirkte Sondyselene genauso hinfällig wie all die anderen Enthonen. „Nach mir wird Polm Ombar das Rednerpult betreten, seine Identität als Revisor lüften und sich ebenfalls öffentlich zur AGN bekennen. Unser beider Wort wird die endgültige Entscheidung bringen.
Das Patronat und auch du selbst - ihr werdet entmachtet sein."
Der Patron straffte seine Gestalt, raffte die Toga und blickte Chyndor ins Gesicht. „Wenn du, mein Freund, und Polm Ombar, der mich immer unterstützte, sich gegen mich stellen, bin ich geschlagen. Ihr habt gesiegt."
„Wir sind nicht gegen dich. Genau deshalb bin ich hier."
„Der Geheimbund ist keine Diktatur, sondern basiert auf Verantwortung und auf moralischen Werten. Nicht einmal ich kann mich gegen alle stellen. Du hast dein Ziel erreicht, Chyndor."
„Lass uns nicht gegeneinander kämpfen, sondern miteinander in die Zukunft gehen.
Die große Zeit der Enthonen darf nicht mit einer bitteren Niederlage enden. Ihr habt in der Vergangenheit Großes geleistet. Du hast Großes geleistet. Aber trotz aller Dankbarkeit, die ich deswegen empfinde, ist nun eine neue Zeit angebrochen. Die Enthonen müssen die Herrschaft abgeben.
Tut das freiwillig. Verkünde du selbst den Paradigmenwechsel."
Der Patron stand starr, als sei er ebenso steinern wie die Nachbildung seiner Tochter. „Wir müssen ein letztes Mal zusammenstehen. Beende die Konfrontation. Die Enthonen sollen nicht als besiegte Relikte zurückbleiben, sondern der neuen Generation in Würde eine Brücke bauen. Tritt morgen im Palais Ellega zurück, ehe wir dich zerstören."
Noch immer zeigte Sondyselene keine Reaktion.
Chyndor sah zu dem Alten auf. „Ich bin auf deiner Seite, wie ich es immer gewesen bin, und ich habe dir gezeigt, was morgen geschehen wird. Nutze diese Chance, mein Freund." Er wandte sich ab und ging durch den Stelenwald, dem Nebel entgegen.
Als er sich ein letztes Mal umdrehte, sah er den Patron vor der Skulptur knien und die Lippen bewegen. Chyndor meinte, einzelne Worte zu verstehen, melodisch vorgetragen, womöglich ein Sprechgesang. ... länger ... Verlorenen beweinen ...
Sternengräber
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