2356 - Schmerzruf
erkannte er das Übel. Ein Felsen klemmte die Beine des Peergateters ein. Der Stolze Herr versuchte den Brocken anzuheben, aber es gelang ihm nicht.
Das filigrane Wesen stöhnte. „Hol mich hier raus!"
Der Stolze Herr leuchtete hinter den schmalen Felsbrocken. Die Beine des Sklaven waren völlig zerschmettert. Jeder weitere Rettungsversuch war vergeudete Zeit. „Ich kann nicht."
Er ging weiten Den entsetzten Schrei des Peergateters überhörte er. Zumindest versuchte er es.
Bald drang er in einen trockenen, aber weiterhin von Geröll übersäten Bereich des Stollens vor. Wenig später war auch in diese Richtung der Weg völlig versperrt.
Natürlich! Der Gang endete hier. In all der Aufregung hatte Kirmizz es völlig vergessen.
Zwei Peergateter pressten sich gegen das Ende des Stollens, als könnten sie ihn mit der puren Gewalt ihrer Körper weitertreiben. Ihre Helmlampen arbeiteten nicht mehr, so dass sie sich bislang in absoluter Finsternis vorangetastet hatten. „Wo ist Ingittz Zaul?", herrschte Kirmizz die beiden Überlebenden an. „Tot. Er muss tot sein."
„Hast du seine Leiche gesehen?"
„Ich ... Wir sind ..."
„Hast du seine Leiche gesehen?"
Der Peergateter löste sich von den Felsen.
Der Hautlappen, in dem der rechte verkümmerte Arm endete, hing in Fetzen.
Eine schleimige Flüssigkeit pulste daraus.
Der Sklave hielt ihn eng an den Körper gezogen. Das Blut verschmierte bereits seinen kompletten Unterleib. „Ingittz Zaul stand direkt im Zentrum des Einsturzes."
„Er befand sich direkt neben mir!", brauste Kirmizz auf. „Und ich lebe auch noch!"
„Aber Herr, es ..."
„Still!" Er dachte nach. Es war bedauerlich. Er hatte sich an die Gegenwart des Incas gewöhnt, außerdem spielte der Kamerad in seinen Plänen eine weitergehende Rolle. Er hatte ihn als Führer auserkoren, für die Zeit nach der geplanten Flucht aus der Mine; er benötigte jemand, der sich in der freien Welt auskannte.
Aber was nicht zu ändern war, musste hingenommen werden. Jetzt ging es um eine ganz andere Frage - wie konnten sie dem Tod in der Tiefe entkommen? Der Weg in beide Richtungen war versperrt.
Die anderen Überlebenden würden ihm kaum eine Hilfe sein. „Herr Naigon, wir müssen etwas unternehmen." Der Peergateter wimmerte unablässig. „Ihr müsst uns hier herausbringen. Ihr könnt es. Ich weiß, dass Ihr ..."
„Mund halten!", schrie Kirmizz. Wie sollte er nachdenken, wenn er das jämmerliche Geplapper anhören musste?
In diesem Moment ertönten Schrittgeräusche. Ansonsten war es bis auf das ferne Wasserrauschen still geworden.
Sie näherten sich.
Kirmizz wirbelte herum, hastete einige Meter zurück. Ein Lichtkegel zuckte in der Dunkelheit.
Der Stolze Herr konnte sein Glück kaum fassen, als den Verursacher erkannte.
Ingittz Zaul.
Nass von Kopf bis Fuß und an der Schulter blutend, schleppte sich der Incas voran.
Das Licht der zersplitterten Helmlampe wies ihm den Weg. „Gerade dich lebend zu sehen ist wie ein Sonnenstrahl in der verdammten Finsternis um uns her."
„Ich werde uns nicht hier herausführen können", dämpfte Kirmizz seinen Optimismus. „Es fließt kein weiteres Wasser mehr in den Stollen. Offenbar ist kein unterirdischer Flusslauf von oben eingebrochen, sondern ein Wasserreservoir, das nun geleert ist. Ein Höhlensee."
*
Kirmizz dachte praktisch. Möglicherweise konnten sie durch den Deckeneinsturz in den darüber liegenden Hohlraum eindringen. Vielleicht führte von dort ein Weg ins Freie.
Kirmizz kniete unterhalb des Deckeneinsturzes. Das Wasser floss langsam wieder ab, stand inzwischen nur noch kniehoch.
Er brauchte sich nur aufzurichten, um mit dem Oberkörper in den Hohlraum zu ragen. Der Strahl der Helmlampe schnitt einige Meter weit in den Raum, ehe er sich in der Dunkelheit verlor. Kirmizz drehte sich einmal um die eigene Achse. Überall bot sich dasselbe Bild. „Ich gehe rein", setzte er die anderen in Kenntnis, suchte mit beiden Händen festen Halt auf dem glitschigen Gestein und stemmte sich in die Höhe. Es war ein Leichtes, die Beine nachzuziehen. Bald stand er in der Höhle, die sich direkt oberhalb des alten Stollens erstreckte. Es war eine Wohltat, sich aufrichten zu können.
Auf dem unebenen Boden sammelten sich an vielen Stellen Pfützen - die Höhle war bis vor kurzem noch komplett mit Wasser gefüllt gewesen.
Hinter ihm kletterte Ingittz Zaul durch den Einsturz. Ihm bereitete es aufgrund der geringeren Körpergröße deutlich mehr Mühe.
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