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2369 - Quartier Lemurica

Titel: 2369 - Quartier Lemurica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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sehr ich diesen Moment herbeisehne? Ich habe so viele Ideen, möchte so viele Dinge ändern - und endlich einmal die Mechanismen unserer Welt begreifen." Sie streichelte über die drei Muttermale an seiner Oberlippe und küsste ihn zärtlich auf die Nase. „Du verstehst mich doch, oder?"
    Aheun nickte unsicher, bevor er sich auf sie wälzte. „Du hattest immer recht, hast die Dinge stets glasklar gesehen. Ich bin mir sicher, dass du Großes bewirken wirst, sobald du ins Ordin aufsteigst."
    Calazi zog ihn fest an sich. Sie umklammerten sich leidenschaftlich .und vergaßen für kurze Zeit all ihre Probleme.
     
    *
     
    Aheun fühlte sich unwohl in der Rolle des Kronprinzen, wehrte sich aber nicht dagegen. Er begriff, dass er aufgrund seiner außerordentlichen Fähigkeiten Verantwortung übernehmen musste.
    Abamäus Zott forcierte seine Karriere, wo er nur konnte. Die Rezepte, die Aheun aus alten Niederschriften zutage förderte und die allmählich Eingang in den Speiseplan der Priester fanden, mehrten seinen Ruf.
    Bald wurde er in einem Atemzug mit seinem Meister genannt. Seine Fertigkeiten im Umgang mit Nahrung aller Art, seine vielfach gerühmten Geruchs- und Geschmackssinne, sein Wunsch nach Innovationen und Veränderungen fanden weit über die Grenzen des Küchenbereichs hinaus Beachtung. „Wenn es der Fette so weit bringt", so sagten die jüngeren Priester, „schaffe ich das auch."
    Der Fette. So rief man ihn mittlerweile, den wohl dicksten Priester des Quartier Lemurica, und Aheun trug diesen schäbigen Spitznamen wie ein prachtvolles Schild vor sich her. Überall spannte sich der Stoff seiner Bekleidung, überall zwickte und zwackte es. Türen wurden ihm zu schmal, Bückbewegungen fielen ihm zunehmend schwer, das Stufensteigen innerhalb der verwinkelten Räumlichkeiten des Kobels geriet zur Qual. Und dennoch genoss Aheun sein Leben. „Du kommst heute mit mir", sagte Abamäus Zott eines schönen Tages. „Wohin soll's denn gehen?", fragte Aheun, wenig interessiert. Er experimentierte soeben mit Geschmacksverstärkern für Suppen, die aus dem Knochenmark kleiner Legetiere gewonnen wurden. „Es gibt eine Besprechung des Ordins mit dem Stadtrat."
    Aheun schreckte hoch, ließ einen Teller mit zerstoßenen Gewürzen fallen. Er zerbrach auf dem Boden. „Du fährst nach Adur Bravuna und willst mich mitnehmen?"
    „Was erstaunt dich daran?" Zott grinste. „Allmählich müsstest selbst du wissen, dass du irgendwann meine Nachfolge antreten sollst."
    „Das schon", druckste Aheun herum, „aber das kommt doch ein wenig überraschend für mich."
    „Der Küchenchef besitzt nun mal Stimmrecht im Ordin. Er muss sich also auch um andere Dinge als um Rezepte und Speisenfolgen kümmern. Du solltest zumindest einmal gesehen haben, wie das Verhältnis zwischen dem Rat von Arkan-Raphan und der Priesterschaft gestrickt ist." Zott zeigte sein ernstes, glattes. Gesicht. „Bereite dich auf einige unliebsame Überraschungen vor."
     
    *
     
    Die Anreise erfolgte mit Hilfe eines riesigen Gleiters. Im oberen Deck nahmen zwölf der 24 Ordin-Priester Platz. In den unteren Räumlichkeiten fanden acht jener Raphanen Platz, die allmählich für die Nachfolgeschaft des einen oder anderen Ordins aufgebaut werden sollten. Unter ihnen fanden, wie Aheun rasch begriff, Neid und Missgunst einen nahrhaften Boden. „Da ist ja unser Dickerchen!", sagte ein Priester mit hoher Stirn, kaum älter als er selbst. Stocksteif saß er da, mit im Schoß gefalteten Händen. „Wir sollten uns vorsorglich über das höchstzulässige Gesamtgewicht des Gleiters informieren."
    Höhnisches Gelächter kam von mehreren Seiten, während andere seiner Begleiter in ihrem Sitzabteil düster vor sich hin starrten. Calazi, so wunderte sich Aheun, war nicht mit an Bord. „Erkennst du mich etwa nicht wieder?", fragte derselbe vorlaute Priester mit seiner öligen Stimme. Nein. Er konnte mit dem Aussehen des Mannes nichts anfangen. Aber es gab auch andere Erkennungsmerkmale.
    Aheun sog die Luft ein und schnüffelte. Ja.
    Die Geruchsnote des Kahlen war unverkennbar. „Pif Kinz", sagte Aheun halblaut. „Jahrgangsbester, nach Calazi Matmu. Ein Streber und Arschkriecher sondergleichen.
    Unter der Lehrerschaft ungefähr so beliebt wie eine Krankheit."
    Pif sprang auf, lief vom Hals aufwärts hochrot an, bis hin zur kreisrunden Glatze. „Es stünde dir besser zu Gesicht, fetter Kretin", rief der Streber, „wenn du so ruhig und unauffällig bleiben würdest, wie du es

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