2369 - Quartier Lemurica
dass ein Gulasch zu seiner Zeit anders zubereitet worden war ..."
Aheun brach ab, als er sah, wie sich Zotts Gesicht glättete. Der Ordin verlor sichtlich an Geduld. „Entschuldigung, Meister, wenn mich die Begeisterung mitreißt. Das Leben ist so bunt und so aufregend geworden ..."
„Darüber reden wir ein anderes Mal. Jetzt sag mir endlich, was du mit der Cyclo-Rohmasse gemacht hast, Schurke. Durch was hast du sie ersetzt? Durch Kauwurzeln, die zwei Tage lang in Salzwasser eingedickt wurden?"
„Nein." Aheun lächelte. „Gestern ging ich in den Gemüsegärten des Quartier Lemurica spazieren, um meinen Kopf frei zu bekommen. Ich sah all die zerstörten Salathäuptel, von Feldnickeln angekaut und zerbissen ..."
„Und?"
„Ich erinnerte mich an das alte Buch und beschloss, einen Versuch zu wagen.
Warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Also ließ ich die Robtrix Jagd auf mehrere Feldnickel machen, sie töten und mir hierher bringen.
Was du gerade gegessen hast, Meister, ist Fleisch. Echtes, von Tieren stammendes Fleisch."
*
Merkwürdig, dachte Aheun, irgendwann musste die Entwicklung der Raphanen einen seltsamen Weg eingeschlagen haben.
Die omnipräsenten Robtrix haben in vielen Bereichen für eine gewisse Behäbigkeit gesorgt. Viele Dinge stehen uns zur Verfügung, ohne dass wir uns um ihre Herkunft kümmern müssen.
Längst wurden die Megalopolen wie Adur Bravuna fast zur Gänze von den Robtrix instand gehalten. Die Maschinen besorgten Reparaturen, lieferten Bekleidungsstücke und Lebensmittel, kümmerten sich um die Behebung von Krankheiten und die Aufrechterhaltung eines gewissen Lebensstandards. Zugleich aber behinderten sie in vielerlei Hinsicht eine Weiterentwicklung, sowohl in technischer als auch in moralischer Hinsicht.
Irgendwann im Laufe der Jahrtausende waren Bedeutung und Geschmack echten Fleisches in Vergessenheit geraten. Die Bevölkerung des raphanischen Sternensystems ließ sich eine stille Bevormundung durch die Robtrix gefallen, ohne sich ihrer überhaupt bewusst zu sein.
Nun - die Raphanen hatten auch so überlebt. Aber, so fragte sich Aheun, wie viele andere Dinge waren ebenso verloren gegangen?
„Was ist Cyclo-Rohmasse?", fragte er den nächstbesten Robtrix, dessen er habhaft werden konnte. „Problemstellung von minderer Bedeutung", gab die Maschine zur Antwort und verweigerte in der Folge hartnäckig jegliche Auskunft. „Was geschieht in den Robotfabriken?"
„Wer weiß über die Vorgänge unterhalb der Pyramiden Bescheid?"
„Wer programmiert euch?"
Hunderte weitere Fragen kamen ihm in den Sinn. Nun, da er sich mehr und mehr mit den altertümlichen Kochbüchern beschäftigte, taten sich zahlreiche Rätsel auf. Und niemand, so schien es, konnte oder wollte antworten. „Ich kann und will es nicht verstehen", sagte er zu Calazi nach einer stürmischen Wiedersehensfeier, die sich zum großen Teil in seinem Bettlager zugetragen hatte. „Unterliegen wir natürlicher Evolution?
Vergessen wir manche Dinge, weil sie unbedeutend werden, oder bestimmen andere über unser Schicksal? Welche Macht haben die Robtrix wirklich über das Volk der Raphanen?"
Das Mädchen war mittlerweile zu einer Frau mit prächtiger Leibesfülle gereift. Sie schmiegte sich an seinen verschwitzten Körper und streichelte über „seinen Fettbauch. „Freut mich, dass du endlich aus deiner Lethargie erwacht bist. Ich wusste immer, dass mehr in dir steckt, hatte aber schon jegliche Hoffnung aufgegeben, es aus dir herauskitzeln zu können. Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich darüber freute, als du mich um Hilfe wegen des Buchrestaurators batest."
„Du weichst einer Antwort aus." Aheun drehte sich zur Seite, blickte Calazi tief in die Augen. „Weißt du mehr als ich?
Kennst du die Wahrheit?"
„Nein." Sie unterdrückte ein Gähnen. „Allein die Ordin-Priester bestimmen, was im Quartier Lemurica geschieht. Du solltest deinen Meister fragen.
Möglicherweise kennt er die Antworten."
„Wie geht es dir in deiner Ausbildung?
Müsstest du nicht allmählich in alle Geheimnisse eingeweiht werden? Ich hörte munkeln, dass du recht bald in das Ordin berufen werden sollst."
„Das hängt nicht von mir ab." Sie lächelte. „Es stimmt, dass mir gute Chancen zugerechnet werden; dennoch muss ich darauf warten, dass einer der dreiundzwanzig Ordin-Priester oder gar der Oberste Ordinal eines natürlichen Todes stirbt." Ihre Augen begannen zu glänzen. „Kannst du dir vorstellen, wie
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