2370 - Die Milliardenstadt
verschmerzen", sagte er, bevor er Kenton Self anblickte.„Ich hoffe, du verstehst nun?"
Die Intensität des Blicks nahm zu, zog den Obersten Ratsmann in ihren Bann. „Icho Tolot ist ein Freund, so wie alle seine Artgenossen", fuhr Atlan fort. „Die Bedrohung durch die Schwarzen Bestien existiert nicht mehr. Benutz deinen Verstand, Kenton! Es sind fünfzigtausend Jahre vergangen, seitdem unsere gemeinsamen Vorfahren gegen die Haluter angetreten sind. Zweitausend Generationen von Raphanen haben gelebt und sind gestorben ..."
Der Arkonide hatte zweifelsohne recht.
Niemand würde sich freiwillig dem Beschuss einer Strahlenwaffe aussetzen, wenn er nicht etwas zu beweisen versuchte. Die Schwarze Bestie hatte ihren Tod riskiert, um die Raphanen von ihrem ... guten Willen zu überzeugen. „Das war ... sehr eindrucksvoll", sagte Kenton Self. „Ich glaube dir und Icho Tolot."
*
Kenton Self und seine Begleiter wurden mit einem Gleiter zu dem Ratsschiff mit der Bezeichnung RAPH-1 zurückgebracht.
Der 250-Meter-Riese war in einem Hangar der POLARIS XX untergebracht worden. „In einem der Nebenhangars", wie ihm der Befehlshaber des Tenders süffisant mitgeteilt hatte.
Der übergroß gebaute Lemurerabkömmling, ein „Oberst" namens Alsom Vilagen, wirkte ungelenk und klobig; so als könnte er nicht einmal eine Glückmich-Tasse halten, ohne sie fallen zu lassen. Auf Arkan-Raphan wäre er allein aufgrund seines Aussehens ins Schattenreich verbannt worden. In der Befehlshierarchie der Liga-Flotte schien er einen bedeutenden Rang innezuhaben.
Kenton Self verstand die Psychologie des Arkoniden durchaus. Der Auftritt der überbreit gebauten Elitesoldaten, die links und rechts von ihnen Spalier gestanden hatten, hatte ebenso eine Bedeutung gehabt wie das Schauspiel in der Zentrale der EDMOND HALLEY und nunmehr der Rücktransport zu ihrem eigenen Schiff.
Die „Neu-Lemurer", wie er sie insgeheim nannte, besaßen ein Faible für Inszenierungen. Kenton wusste nicht, ob er die Neuankömmlinge als überheblich oder als selbstherrlich einstufen sollte. So, wie es aussah, besaßen sie allerdings jeden Grund, sich als überlegen zu präsentieren.
Der Oberste Ratsmann schauderte. Welche Wesen konnten den Teilnehmern dieser KombiTrans-Expedition gefährlich werden? Wie stark und wie gewaltig musste dieses TRAITOR sein, dass es eine kräfte- und kostenintensive Expedition von der legendären Heimat Apsuhol zu einer Sterneninsel namens Hangay rechtfertigte?
Der Gleiter landete. Alsom Vilagen marschierte vorneweg. Es ging einen verschwenderisch hell beleuchteten Gang entlang. Links und rechts schienen Hinweiszeichen auf, die ihnen weitere Informationen über ihren Standort gaben.
Die Großzügigkeit, all die Platzverschwendung in diesem riesigen Gefährt wirkte ... obszön. Körper von dieser Größe, wie zum Beispiel manche Wohnsplitter der Trümmerwelten ¬ Eronis und Sepdelen, beherbergten Millionen von Raphanen. Und hier, so schätzte Kenton, lebten und arbeiteten sicherlich nicht mehr als eine halbe Million Neu-Lemurer. „POLARIS XX benötigt zur Aufrechterhaltung der hundertprozentigen Dienstbereitschaft eine Stammbesatzung von sechshundert Personen", sagte Alsom Vilagen, als hätte er Kentons Gedanken erraten. „Derzeit befinden sich allerdings knapp elftausend Angehörige der Liga Freier Terraner an Bord. Ein Teil davon gehört zum Service- und Werftpersonal für die Wartung möglicherweise beschädigter Schiffseinheiten der Gesamtflotte; für die Beiboot- und Geschwaderflotte sind ein wenig mehr als viertausend Flottenangehörige hier stationiert."
Bloß elftausend Neu-Lemurer!
Wie konnten Atlan und seine Leute unter diesen Bedingungen ein soziales Gefüge aufrechterhalten? Wie funktionierte das Zusammenleben, wenn es auf räumlicher Distanz aufgebaut war? Über mehrere Fließbänder erreichten sie den Hangar der RAPH-1. Das Schiff nahm sich in den Weiten des Hangars tatsächlich wie ein winziges Beiboot aus. „Gute Heimreise!", wünschte Alsom Vilagen.
Wortlos bestieg Kenton Self sein Schiff.
Erst als er sich auf seinem gepolsterten Sitz in der engen Kommandozentrale der RAPH-1 niedergelassen hatte, fühlte er sich wohler.
Er blickte sich um, sah bloß eingeschüchterte Raphanen, die kaum wussten, was sie sagen sollten.. „Es gibt keinen Grund, sich unterlegen zu fühlen!", rief er. „Mag sein, dass Atlan und seine Leute technisch weitaus besser als wir ausgerüstet sind. Soll uns das etwa erschrecken? -
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