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2370 - Die Milliardenstadt

Titel: 2370 - Die Milliardenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Schließlich schaffte er es, zog von nun an allerdings sein linkes Bein quietschend hinterher.
    In Adur Bravuna wurde gelogen, betrogen, gestritten, gekämpft und gemordet. Moral und Tugend stellten zumindest für viele Angehörigen in den unteren Schichten des Schattenreichs Fremdworte dar. Für sie ging es ums Überleben, nicht darum, ethisch richtig zu handeln. Nur die Bevorzugten der Himmelszone konnten sich den Luxus leisten, gut zu sein.
    Aheun war enttäuscht von dem, was er bislang erlebt hatte. Die Stadt, die aus weiter Ferne statisch gewirkt hatte, zeigte sich im Inneren als brodelnder Hexenkessel, in der der Wandel die einzige Konstante zu sein schien. „Ich kenne die Lüge", sagte Aheun. „Im Quartier Lemurica war sie ein wichtiger Bestandteil des Lebens. Allerdings besitzt sie dort eine andere Qualität. Im Schattenreich Adur Bravunas scheint sich alles darum zu drehen, wie man möglichst lange überlebt."
    Helferlein-Einsacht schwieg. Seine Rechenprozessoren waren kaum mehr in der Lage, einer Unterhaltung zu folgen... „Cycloglück?", erklang eine Stimme aus dem Halbschatten eines Dachvorsprungs. „Zwanzig Soxis die Tablette, und du schwebst für mehrere Stunden hinauf in die Himmelszone."
    Aheun ignorierte die Frauenstimme und ging so rasch wie möglich weiter. Er hatte während der letzten Tage genügend ähnliche Begegnungen hinter sich gebracht. Nur mit Hilfe des Robtrix war er den Dealern, Zuhältern und Dieben entkommen. „Oder willst du eine Frau, Fetter? Fünfzig Soxis für mich, dreißig für meine Mutter, siebzig für uns beide gemeinsam. Hab ein Wohnloch um die Ecke, sogar mit Trivid."
    Trippelnde Schritte hallten über den Gehweg. Die Frau holte ihn ein, fasste ihn am Unterarm. Ihre Hand fühlte sich warm an. Aheun blickte ihr ins Gesicht. Ja. Sie war einmal hübsch gewesen. Vor 20 Jahren. Mittlerweile war davon kaum etwas davon zu sehen. Eine frische Schnittnarbe zog sich quer über die rechte Wange, die Nasenwände waren eingefallen und zerfressen vom übermäßigen Gebrauch pulvrigen Cycloglücks. Ständig schnupfte sie hoch und leckte über den dünnen Blutsfaden, der ihr aus der Nase rann. „Ich will nicht." Er riss sich los und setzte seinen Weg fort. In einer Entfernung von 50 Metern stand eine funktionierende Lichtsäule. Dort, so hoffte Aheun, endete das Reich dieses Geschöpfs. „Natürlich willst du, mein Dickerchen.
    Dein Robtrix kann Aufnahmen von uns machen. Das macht dich doch an, nicht?"
    Aheun drehte sich nicht mehr um, hörte nicht auf die immer schwächer werdende Stimme, die allmählich in ein unartikuliertes Schluchzen überging.
    Selbst der Sex hatte im Quartier Lemurica eine andere Bedeutung gehabt. Hier schien er ihm einerseits schmutzig zu sein und andererseits in enormem Ausmaß der Fortpflanzung zu dienen... „Ich kann ... nicht weiter", sagte Helferlein-Einsacht mit leiser werdender Stimme. Er tat einen letzten Schritt, blieb stehen, sagte: „Viel ... Glück!" - und hörte auf zu funktionieren.
    Die ehedem schlanke und grazile Gestalt war nun unregelmäßig und knotig geformt.
    Verwachsungen und Beulen rutschten wie Tropfen unterhalb der Haut zu Boden, bildeten einen immer breiter werdenden See aus dicklich grüner Flüssigkeit. „Das kannst du mir nicht antun." Aheuns Puls beschleunigte, er wagte kaum mehr zu atmen. „Du verdammter Robtrix - du musst mir dienen und mir helfen."
    Helferlein-Einsacht erstarrte und wurde zu einem undefinierbaren Gebilde aus Metall und Kunststoff, das auf einmal tot wirkte, als habe der Robtrix tatsächlich einmal gelebt.
    Stille herrschte plötzlich ringsum, wie er sie während der letzten drei Tage nicht gekannt hatte. Fast schien es Aheun, als trauerte die Stadt mit ihm um den letzten ...
    Freund, den er in dieser fremden Welt gekannt hatte. „Na - willst jetzt ein Cycloglück?"
    Neuerlich fühlte Aheun die so starke Hitze ausstrahlende Hand auf seinem verschmutzten Talar. „Hilft dir weiter und macht, dass du dich besser fühlst."
    Aheun fühlte Zorn in sich. Er drehte sich blitzschnell um, erhob die Hand, wollte zuschlagen - und zögerte im letzten Moment.
    Es stand so viel Unglück in den Augen dieser Frau zu lesen. Sie war in diese schreckliche Finsternis hineingeboren worden, hatte niemals einen Ausweg gefunden oder eine Chance bekommen, ihr Leben anders zu gestalten. Wie privilegiert er hingegen bis jetzt geblieben war!
    Er besaß kein Recht, sie zu kritisieren oder ihr Schmerz zuzufügen, weil er Schmerz

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