2384 - Das Quarantäne-System
Ehrerbietung noch ein paar eigene Schlussfolgerungen hinzu: „Die Technik der Fremden ist unserer eigenen überlegen.
In einer Schlacht auf engem Raum würden die Langnasen unsere Einheiten zerreiben, sie wie wir den nicht lebenswerten Krebslaich in einer Zuchtfarm zertreten.
Aber ich glaube nicht, dass diese Eindringlinge imstande sind, Druck auf Dauer standzuhalten; der von allen möglichen Seiten kommt. Mit der notwendigen Truppenstärke könnten wir die einzelnen gegnerischen Einheiten voneinander isolieren und sie im konzentrierten Beschuss knacken.
Möglicherweise brauchten wir Tausende Schiffe, um dieses Vorhaben durchzuführen, möglicherweise hätten wir eine Verlustrate von über neunzig Prozent zu verzeichnen. Aber das Resultat wäre der Sieg - und eine Kriegsernte, wie sie die Tad de Raud niemals zuvor eingefahren haben. Die Zukunft würde grün und golden leuchten ..."
Abrupt brach Deville-Kareem ab, starrte auf den aufgeblähten Leib der Frau.
Seitdem er hier hergekommen war, hatte sie hundert oder mehr Tad de Raud das Leben geschenkt.
Trauerte ein derartiges Wesen um seine Kinder? Spürte es Schmerz, wenn sie starben, wie es die Mütter so vieler anderer Völker taten? „Ich habe zunächst angeordnet, die Einheiten des Geschwaders rings um das Quarantäne-System zu verteilen, sodass wir jede Bewegung des Feindes zu jeder Zeit genauestens verfolgen können. Ich bitte aber nun dich, verehrte Catonya, eine Entscheidung über das weitere Vorgehen zu fällen. Ich bin dein bescheidener Diener, ohne jene Weisheit, die einer Präkog-Prinzessin zu eigen ist."
Der Marschall schwieg, atmete schwer. Er hatte sich hinreißen lassen, möglicherweise seinen Kompetenzbereich längst überschritten. Die Grenze zwischen Wagemut und Häresie war nicht eindeutig gezogen, und seine Erfahrungen im Umgang mit der Prinzessin waren noch viel zu bescheiden, um über ihre möglichen Reaktionen Bescheid zu wissen.
Konnte die weibliche Tad de Raud denn tatsächlich in die Zukunft blicken, wie es der Zusatz „Präkog" andeutete?
Wieder waren da diese unbotmäßigen Gedanken! Deville-Kareem erschrak, zog sich langsam zwei Schritte von der Prinzessin zurück.
Es war der säuerliche Geruch, der einen immer intensiveren Widerwillen gegen diese Umgebung und gegen dieses Wesen erzeugte. Er sollte Hochachtung vor den Leistungen Catonyas empfinden - und spürte stattdessen nicht greifbares Unwohlsein.
Wie lange sollte er noch warten? Ungeduldig. verlagerte er das Gewicht von einer Fußklaue auf die andere. Die Membranfläche unter ihm drohte zu zerreißen. Mehrere Tu'gas't schienen das Unglück zu erahnen, kamen herbei gekrochen und flickten die Risse rings um ihn mit ungeahnter Geschicklichkeit. Ihre Sensibilität übertraf alles, was er jemals in den tieferen Regionen der VLON RADARIN an diesen tumben Geschöpfen kennengelernt hatte.
Die Blicke Catonyas waren weiterhin auf die Holowolken gerichtet. Hatte sie ihm seit seinem Einfliegen einen einzigen Gedanken geschenkt? War er denn überhaupt in ihrem geistigen Koordinatensystem vorhanden, oder beanspruchte sie der Vorgang des Gebärens derzeit über alle Gebühr?
Er wartete und wartete, wagte kaum zu atmen. Schließlich nahm er all seinen Mut zusammen, tat vier Schritte auf die Präkog-Prinzessin zu, wollte ihr sein Problem neuerlich vortragen.
Scheren klapperten gefährlich laut.
Hunderte Tu'gas't, meist halb so groß wie er selbst, kamen aus Hohlräumen und Spalten gekrochen. Sie gaben aggressive Zischlaute von sich, die er niemals zuvor gehört hatte.
Deville-Kareem verstand.
Hier und heute würde er keine Antwort erhalten. Sein Besuch war umsonst gewesen. Zorn und Angst wuchsen in ihm an, wurden zu einem einzigen Gefühl, das er sich nicht erklären konnte.
Er musste weg von hier, so rasch wie möglich, bevor er sein Leben verwirkte.
Der Sauergeruch des ständigen Gebärvorgangs überdeckte jegliche Ratio.
Deville-Kareem marschierte langsam zurück, bis er den Abgrund des Flugkamins hinter sich spürte. Dann ließ er sich fallen, streckte die Flughäute in die Winde, raste, so rasch er konnte, durch das Wabensystem, in dem tausende Schlüpflinge auf ihre ersten Unterrichtsständen warteten, während sie gefüttert und gepflegt wurden. Allmählich ließ der Gestank nach.
Er durchtauchte den grünen Trennnebel mit dem Gefühl größter Erleichterung.
Er würde seine eigenen Entscheidungen treffen müssen. So war es der Wunsch der Präkog-Prinzessin
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