239 - An der Pforte des Hades
Nacht hatte er beobachtet, wie der Einsiedler neben ihrem Bett aufgetaucht war und unverhohlen die schlafende Aruula angestarrt hatte. Gerade als er ihn zur Rede stellen wollte, machte Chacho kehrt und verschwand. Auch jetzt war er nicht hier. Weder er, noch sein wandelnder Flokati.
»Komm, setz dich zu mir!« Aruula deutete auf den gedeckten Tisch. »Etwas zu essen und der Tee werden dir gut tun.«
Matt mochte weder essen noch trinken. Sein Interesse galt der hinteren Höhle, die sie nicht betreten durften. Chacho war ihm suspekt; hatte er etwas vor ihnen zu verbergen? Kurz entschlossen schob er den Vorhang beiseite.
»Maddrax, nicht!«, hörte er Aruula rufen. Doch angesichts der Dinge, die er zu sehen bekam, reagierte er nicht darauf: Nägel waren in die Felswände getrieben worden, daran hingen Kleidungsstücke in verschiedenen Größen. Mehrere Krücken standen in einer Ecke und Spielzeug lag verstreut herum. Offensichtlich die Hinterlassenschaften mehrerer Menschen. Doch wo waren die Leute? Es machte nicht den Eindruck, als hätten sie hier gelebt.
An einer Wand entdeckte Matt eine Art Schrein. Neugierig tat er ein paar Schritte in die Höhle hinein, bis er die Dinge darin erkennen konnte: Ketten und Ringe, einen aus Holz geschnitzten Wal, eine Karte, auf der ein windschiefes Haus zu sehen war, und ein silbernes Amulett, in das ein verblichenes Bild der Jungfrau Maria eingelassen war. Auf einer geflochtenen Matte daneben lagen zerwühlte Decken und Felle. Vermutlich hatte Chacho die letzte Nacht darauf geschlafen. Zumindest in der Zeit, die er nicht damit verbracht hat, Aruula anzustarren.Wie aufs Stichwort klang ihre Stimme hinter ihm auf: »Was machst du denn? Komm wieder her, bevor Chacho auftaucht! Er wird uns rauswerfen!«
Da mochte sie wohl recht haben. Seufzend wandte Matt sich um und ging zum Durchgang zurück – als sein Blick von einem Schreibpult eingefangen wurde. Er verharrte erneut. Ein schön geformter Stein, aus dem eine Albatrossfeder ragte, zierte den oberen Abschluss des selbst gezimmerten Pultes. Daneben stand ein Fass mit einer dunklen Flüssigkeit. Eine Art Tinte, vermutete Matt, als sein Blick über das offene Notizbuch glitt.
Er wollte schon weitergehen, denn Chachos persönliche Notizen gingen ihn nichts an, als ihm einige merkwürdige Zeichen auf dem beschriebenen Papier ins Auge sprangen.
Das kann nicht sein… Er beugte sich über das Buch. Tatsächlich: Es waren hydritische Schriftzeichen! Was um alles in der Welt hatte Chacho damit zu schaffen? Gestern Abend hatte er so getan, als hätte er noch nie etwas von den Hydriten gehört.
Jetzt gab es kein Halten mehr. Matt sah sich die Aufzeichnungen genauer an. Es handelte sich um eine Karte über eine genau skizzierte Eisfläche mit eingezeichneten Spalten und Wegen und mit einem markierten Punkt, der als Lityi bezeichnet wurde. Am Seitenrand waren Berechnungen zu Breite und Tiefe eines Schachtes und die Konstruktion eines Transportkorbes eingezeichnet. Matt blätterte um. Die nächste Seite war voll gekritzelt mit hydritischen Zeichen. Matts Herz pochte schneller.
»Maddrax! Was du tust, ist nicht richtig!«, hörte er Aruula sagen. Ihre Stimme klang streng. »Warum missbrauchst du Chachos Gastfreundschaft? Das ist doch sonst nicht deine Art.«
Er ging nicht darauf ein. »Aruula, das musst du dir anschauen!«, drängte er. »Unser Freund weiß mehr über die Hydriten, als er zugibt. Vielleicht kennt er sogar die Lage des Flächenräumers!«
Die Hände in die Hüften gestemmt, tauchte die Barbarin im Durchgang auf und sah Matt ärgerlich an. Sie machte nicht den Eindruck, als wollte sie auch nur einen Schritt näher kommen.
Matt deutete auf die Habseligkeiten im Raum. »Und was ist mit all die Menschen passiert, denen diese Dinge gehören? Warum hat er sie mit keinem Wort erwähnt? Ob du es wahrhaben willst oder nicht, irgendetwas ist nicht in Ordnung mit Chacho.« Er hob das Notizbuch hoch. »Warum hat er gestern so getan, als ob er noch nie etwas von den Hydriten gehört hätte? Dieses Buch hier ist voll von hydritischen Schriftzeichen!«
Aruulas strenger Blick flackerte, aber noch war sie nicht überzeugt. »Mag sein, dass er etwas vor uns verbirgt«, sagte sie. »Aber ich spüre keine bösen Absichten. Rede mit ihm über deine Vermutungen. Versuch es doch mal mit Vertrauen! Vielleicht wird er dich überraschen.« Damit kehrte sie ihm den Rücken und verschwand in der Nebenhöhle.
Matt kam nicht mehr dazu, über ihre
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