2391 - Die Schwarze Zeit
kommenden Tagen geriet die Arbeit auf Daellian UltraTech auf schwer durchschaubare Weise aus den Fugen. Mal lag der Betrieb für drei oder vier Stunden still, dann folgten Phasen pausenloser Aktivität.
Am Abend des 23. Februar erhielt Tifflor einen Anruf von Curcaryen Varantir. Der Algorrian redete nicht live mit ihm, sondern übermittelte ihm eine vorab gespeicherte Botschaft: „Wir haben zwei LFT-Bürger aufgegriffen, Techniker im Meilersektor, die versucht haben, sensible Daten über den Kontext-Wandler zu kopieren. Wir betrachten diesen Versuch als infam. Achtung: Sämtliche Unterlagen über die auf UltraTech gefertigten Produkte sind in dem Augenblick, in dem die jeweiligen Geräte betriebsfertig sind, zu vernichten. Wer anders handelt, macht sich einer Fahrlässigkeit mit unkalkulierbarem Risiko schuldig. Ende des Bescheids."
„Ja, Effendi", seufzte Tifflor. In ihm wuchs das Gefühl, ins Abseits zu rücken.
In Photon-City wurde gebaut, geforscht und entwickelt. Aber das Eigentliche entstand auf der TechFarm. Und die Ereignisse dort entzogen sich seinem Einfluss immer mehr.
Allmählich lernte er, Aktakuls permanenten Zorn nachzufühlen. Er fühlte sich wie eine uralte Märchenfigur, Rapunzel, die eine Hexe in einem Turm eingesperrt hatte. Nur, dass in seinem Fall kein Prinz ihn bat, das Haar herunterzulassen.
Am 25. Februar 1346 meldete sich Daellian in aller Frühe. Tifflor war noch nicht zur Kommandantur aufgebrochen, sondern befand sich in seinen privaten Räumen. Er wischte den kribbelnden, rasierenden Schaum von den Wangen und erlaubte dem Holoprojektor, sein Bild auszustrahlen.
Die optische Sensorik des Medotanks erfasste ihn, der Lautsprecher verkündete Daellians Botschaft: „Wir starten heute einen ersten Probelauf des Kontext-Wandlers. Der Start des Experimentes ist auf elf Uhr angesetzt."
„Wird meine Anwesenheit erwünscht?"
„Nein!"
Tifflor spürte ein eigenartiges Gemisch aus Spannung und Erleichterung. Es geht los. Endlich.
Laut sagte er: „Na, dann mache ich mir doch einen schönen Tag in Photon-City" Mokkatassen, Aufbruch Niemals Auf dem Zeitgehöft Seltsame Orte gibt es, seltsame Gehirne, seltsame Regionen des Geistes. Auf einem abgelegenen Zeitgehöft stand ein Tisch.
Lang war er, endlos lang. An den Kopfseiten - und der Tisch besaß davon unendlich viele - versank er hinter synthetischen Ereignishorizonten. Schmal war er, sehr schmal. Ob die Schneide einer Klinge darauf gepasst hätte? Nein. Ob die Kufen eines Nanoschlittens darauf Platz gefunden hätten? Nein. Hätte denn nichts darauf gepasst? Nun, dort wäre es selbst für das Nichts ein wenig eng geworden.
Schwarz stand der Tisch, sehr schwarz. Ein Hologramm aus Anti-Licht. In Fontänen gischteten Wesensteilchen auf, spukten von hüben nach drüben, vergingen im selben Augenblick, rückwärts: Links und rechts des Tisches saßen die Gleichen und schauten dem Treiben der Wesensteilchen zu. Die Sessel unter ihnen knarzten. Ihr Mokka dampfte in den Tassen. Ihre psiorganischen ÜBSEF-Prothesen vibrierten wie angezupfte Saiten. „Da", sagten die Gleichen, gedachten einander und lauschten.
Der Tisch wachte gehorsam auf. Er senkte seine Lote; die Lote sandten ihre Kommissare aus. Die Kommissare wuselten herum, nahmen Proben und verfügten sie in Kapseln.
Die Gleichen pusteten in ihre Tassen und blinzelten einander an.
Der Tisch hantierte mit den Kapseln und öffnete sie. Heraus rollte ein Klirren und Knistern, ein Splittern und Brechen. Alles kaum wahrnehmbar, alles am Rand der Realität. „Da beginnt es", sagten die Gleichen.
Sie gedachten einander und seufzten. „Hilft nichts. Wir schauen besser mal nach."
Einer von ihnen und alle erhoben sich ächzend aus dem Sessel.
Der Tisch fuhr eine Schublade aus, Schattenleiber stiegen auf und räkelten sich. Seit Äonen hatten sie im Nullschlaf gelegen. Sie hatten Bewusstsein angesetzt - wie immer. Die Gleichen seufzten und dachten: Auswaschen bitte!
Eine weitere Schublade öffnete sich, und die Reinemacherinnen kamen hervor. Sie wussten um den Ekel der Gleichen, aber sie wussten auch, dass ihnen eine Annihilation der Bewusstseine widerstrebt hätte.
Warum nur? Egal.
Die Reinemacherinnen pflückten die Bewusstseine behutsam aus den Schattenleibern, öffneten eine weitere Schublade und deponierten sie in einem der leer stehenden Introversen, die darin lagerten. „Wir schauen besser mal nach. Hilft nichts", sagten die Gleichen, gedachten einander und begaben sich in dem
Weitere Kostenlose Bücher