24 - Ardistan und Dschinnistan I
welche vor dem Monument standen, diese Vorrichtung bemerkten.
Der Dschirbani war genauso gekleidet wie gestern. Er wollte uns begrüßen, wurde aber von den Hunden daran gehindert. Sie, die im Falle des Fluchtversuches ihn hätten zerreißen sollen, zeigten jetzt eine geradezu rührende Freude, ihn wiederzusehen, und sprangen an ihm empor, um sich seine Liebkosung zu erschmeicheln.
„Wo ist der erzwungene, der Natur von dem Menschen aufgedrungene Haß?“ fragte er. „In Liebe verwandelt! Ich grüße und danke euch, daß ihr gekommen seid!“
Er verbeugte sich. Ich reichte ihm die Hand. Er ergriff sie nicht, sondern streichelte die Hunde.
„Weißt du, was du mir da bietest, Ssahib?“ fragte er. „Kennst du die Gefahr, in die du dich bringst?“
„Ich halte es für keine Gefahr, sondern sogar für meine Pflicht, diesem Irrtum zu begegnen. Gib mir deine Hand! Und ich bitte dich, sie mir auch fernerhin vor aller Augen zu reichen!“
Er tat es und sagte, indem er mir die meine warm und kräftig drückte:
„Das ist Erlösung; ja wahrlich, das ist Erlösung! Ssahib, das werde ich dir nie vergessen.“
Es verstand sich ganz von selbst, daß auch Halef ihm die Hand entgegenstreckte und die seinige bekam. Dann hielt ich es für richtig, den Auftrag auszurichten, den mir die Priesterin für ihren Enkel gegeben hatte.
„Grad um den Mittag bestellt sie mich! In den Tempel?“ fragte er nachdenklich, ohne überrascht zu sein. „Du hast also mit ihr gesprochen?“
„Ja“, antwortete ich.
„Nur kurz – oder längere Zeit?“
„Fast die ganze Nacht. Wir stiegen nach dem Festmahl auf die Zinne des Turms, um den Ausbruch der Vulkane zu beobachten und konnten uns erst, als der Morgen graute, voneinander trennen. Die Herrin der Ussul war dabei.“
„Du hast mit ihnen gesprochen“, sagte er. „So lange Zeit und grad mit diesen beiden. So weißt du, wenn auch nicht alles, doch viel, und ich –“
„Wir sprachen meist über Marah Durimeh“, unterbrach ich ihn, um seine Gedanken nicht auf Abwege geraten zu lassen.
„Von Marah Durimeh?“ rief er aus, indem er sich hoch aufrichtete. „Von der Beherrscherin von Sitara? Wie kommen die Frau des Scheiks und die Priesterin dazu, mit dir von dieser geheimnisvollen Frau zu reden?“
„Weil sie erfuhren, daß ich mit Marah Durimeh befreundet und erst kürzlich ihr Gast in Sitara gewesen bin. Ich wohnte bei ihr im Schloß von Ikbal.“
Da wich er einige Schritte von mir zurück und ließ einen Blick über mich gleiten, in dem sich das tiefste Erstaunen aussprach. Aber nach und nach verlor sich dieses Staunen, um einem hochbefriedigten Ausdruck Platz zu machen. Seine Augen begannen zu leuchten, und seine Stimme klang froh, fast jubelnd, indem er sprach:
„Welch eine Freude, welch ein Glück! Wie war es möglich, daß ich gestern dich zwar sofort für einen mir von Gott gesandten Menschen hielt, aber doch nicht deutlich fühlte, daß du nur aus Sitara kommen kannst – allein von dort! Aus keinem anderen Land! Und nun ich dies erfahre, ist es mir recht und lieb, daß die beiden Frauen von mir zu dir gesprochen haben. Du bist über mich unterrichtet, und ich brauche nichts zu wiederholen. Auch ich bin unterrichtet – über dich! Wenn auch nicht ausführlich, sondern nur über einiges, was außerordentlich wichtig ist. Deine Person und deine Verhältnisse sind mir völlig unbekannt, um so gewisser aber weiß ich, daß du hierhergekommen bist, um zu dem Mir von Dschinnistan zu gehen.“
„Welche Veranlassung hast du, dies zu vermuten?“ fragte ich.
„Ich weiß, daß du es geheimzuhalten hast; aber wenn du der Richtige bist, so wirst du mir vertrauen und mir es gerne gestehen.“
Er trat wieder näher zu mir heran und fuhr in wichtigem Ton fort:
„Ich bitte dich, aufrichtig zu sein und mir eine Frage zu beantworten, die Vater und Mutter mir hinterlassen haben!“
„Sprich!“ forderte ich ihn auf.
„Trägst du einen kleinen Schild auf deiner Brust, den Marah Durimeh dir mitgegeben hat?“
„Ja“, antwortete ich, denn ich fühlte, daß ich hier verpflichtet war, offen zu sein.
„Aus welchem Metall ist er? Aus Gold oder aus Silber? Aus Kupfer oder Bronze?“
„Aus keinem von diesen. Mir ist das Metall, woraus er besteht, unbekannt. Wahrscheinlich ist es eine Legierung.“
„Ganz recht, ganz recht! Warte, warte!“
Er sagte das im Ton der größten Freude, des Entzückens. Dann eilte er die Stufen des Denkmals hinab und verschwand im Innern
Weitere Kostenlose Bücher