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24 - Ardistan und Dschinnistan I

24 - Ardistan und Dschinnistan I

Titel: 24 - Ardistan und Dschinnistan I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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langen, doch kam er nicht dazu, mich anzufassen, denn ich gab ihm von unten her einen solchen Stoß in die Achselgrube, daß er ausgehoben und zu Boden geschleudert wurde. Da raffte er sich auf, stieß einen Wutschrei aus und warf sich wieder auf mich, um sich zu rächen, hielt aber mitten im Sprunge ein, weil sich ihm jetzt auch der Dschirbani entgegenstellte. Dieser war am Eingang stehengeblieben und von ihm gar nicht bemerkt worden. Nun kam er schnell herbei und griff mit beiden Armen nach dem Mann, um ihn von mir abzuhalten. Dieser ihn sehen, sich umdrehen und davonlaufen, war eins.
    „Der Dschirbani! Der Aussätzige! Fort, fort!“ – Mit diesem Ruf schnellte er sich durch den schmalen Eingang hinaus.
    Der Dschirbani warf ihm einen verächtlichen Blick nach und fragte mich dann:
    „Weißt du, daß ich staune, Ssahib?“
    „Worüber?“ fragte ich.
    „Über deinen Achselstoß, mit dem du diesen schweren, riesigen Menschen von dir hinweg und zur Erde schleudertest. Eine solche Körperstärke ist Leuten deiner Gestalt nicht zuzutrauen. Nun du sie mir aber gezeigt hast, bin ich froh darüber. Es stehen uns schwere Kämpfe bevor, und da beruhigt es mich sehr, zu sehen, daß du, mein Beschützer und Führer, es auch in der rein äußerlichen Kraft mit jedem Ussul, jedem Tschoban und jedem Ardistani aufzunehmen vermagst!“
    „Da sorge dich ja nicht! Die rohe Kraft ist, außer wenn sie von Kopf und Herz geleitet wird, nicht eine Stärke, sondern eine Schwäche des Menschen. Sie wird durch den Einfluß des Geistes, des Willens verdoppelt, durch Zucht und Übung verdreifacht, und wenn du sie dann nur nach der Länge und Breite des Körpers mißt, so setzest du dich Täuschungen aus, die dich in Nachteil bringen. Mein kleiner Hadschi Halef Omar ist nur ein Knirps gegen euch, aber ich möchte es keinem Ussul raten, einen ernsten Gang auf Leben und Tod mit ihm zu wagen. Seine Knochen sind von Schmiedeeisen und seine Sehnen von Stahl! – Doch nun zu den Hunden!“
    Vor allen Dingen band ich die beiden Tiere los und befreite sie von den peinigenden Maulkörben. Da sprangen sie vor Freude hoch auf, jagten drei- bis viermal rundum und kehrten dann zu mir zurück, um sich zu meinen Füßen niederzulassen und mir die Hand zu lecken. Ich hatte ihrem Peiniger die Peitsche entrissen; sie sahen mich als ihren Retter an, und in ihren großen, schönen, unendlich ehrlichen Augen war die Bitte zu lesen, mir dafür dankbar sein zu dürfen. Welche Freude sie hatten, als ich ihnen erlaubte, sich an mir hoch aufzurichten, und sie dann mit beiden Armen an mich drückte! Wie schön sie waren! Wie edel und stark! An Größe überragten sie sogar noch die Bärenhunde der Ussul. Der berühmte Dojan, von dem ich in dem Band ‚Durchs wilde Kurdistan‘ erzähle, war ein Windspiel gegen sie. Auch ihre Farbe war ganz eigenartig. Ich kann sie nicht besser beschreiben, als indem ich sie mit jener Art von Pferden vergleiche, die man Schwarzschimmel nennt, nur daß bei diesen Hunden das Schwarz einen frappierenden Übergang zur blauen Farbe zeigte. Hierzu kam, daß ihre sehr feine, seidenweiche Behaarung eine mittellange, nicht eine kurze war, was die Seltenheit dieser Färbung ungemein erhöhte. Sie waren wirklich vornehme, fast möchte ich sagen, königliche Tiere!
    „Diese herrlichen Abkömmlinge der Hunde von Dschinnistan übertrafen als Wasserfinder sogar die besten und berühmtesten Hunde, die es bei den Ussul gegeben hat“, sagte der Dschirbani.
    „Als Wasserfinder?“ fragte ich. „Das kenne ich nicht.“
    „Die Gewöhnung an die immerwährende, große Feuchtigkeit unseres Landes läßt uns die jenseits der Grenze liegenden trockenen Wüsten unerträglich erscheinen. Wir vertragen den Durst nicht. Sobald wir hinüberkommen, bangen wir nach Wasser. Nicht nur wir, sondern auch unsere Pferde und Hunde. Die letzteren wissen dann mit ihren feinen Nasen jede Spur von Feuchtigkeit, auch die geringste, zu entdecken. Wo sie die Erde scharren, ist in der Tiefe Wasser zu finden.“
    „Also Wasser gibt es in diesen vertrockneten Gegenden doch?“
    „Ja, aber in welcher Tiefe! Wer hat Werkzeuge mit? Und wenn man graben wollte, würde man verdursten, ehe man die betreffende Tiefe erreichte. Dennoch ist es vorgekommen, daß Hunde ihre Herren vor dem Verschmachten gerettet haben. Es scheint also doch Stellen zu geben, wo die Wasser der Tiefe bis nahe an die Oberfläche emporsteigen. Mein Vater reiste alljährlich einmal nach Dschinnistan. Er

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