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24 kurze Albträume (German Edition)

24 kurze Albträume (German Edition)

Titel: 24 kurze Albträume (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Schleheck , Oliver Henzler , Michael Rapp , Bernhard Giersche
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ein­wand­frei­em Zu­stand. Er hat die Blut­grup­pe AB po­si­tiv. War nicht so ein­fach, so einen zu fin­den, aber sie wis­sen ja, geht nicht, gibt es nicht. Wir ha­ben Käu­fer für etwa vier­zig Pro­zent der trans­plan­ta­ti­ons­fähi­gen Tei­le, also soll­ten Sie ihre Ent­schei­dung nicht zu lan­ge her­aus­zö­gern.«
    Pe­ter Wel­ler starr­te ent­setzt auf den Hin­ter­kopf des Arz­tes. Sein Puls ras­te und sein Atem ging viel zu schnell. In Pa­nik ver­such­te er, die Gur­te, mit  de­nen er an das Bett ge­fes­selt war, zu spren­gen. Ver­geb­lich.
    »Num­mer sie­ben­und­zwan­zig ist seit drei Wo­chen bei uns. Wie bei den an­de­ren ha­ben wir die Stimm­bän­der ent­fernt und eine Ma­gen­son­de ge­legt.« Der Arzt dreh­te sich zu ihm um und griff nach der wei­ßen Decke, die Pe­ters Kör­per be­deck­te. Erst jetzt nahm er wahr, dass er un­ter der Bett­decke voll­kom­men nackt war. Sein gan­zer Kör­per zit­ter­te, was den Arzt nicht im Ge­rings­ten zu in­ter­es­sie­ren schi­en.
    »Se­hen sie? Der künst­li­che Dar­m­aus­gang, der Bla­sen­ka­the­der und die Ma­gen­son­de er­hal­ten die­sen Kör­per so­lan­ge in ein­wand­frei­em Zu­stand, bis wir ihn abern­ten kön­nen. Stören­de Ge­räusche sind durch die Ent­fer­nung der  Stimm­bän­der stark re­du­ziert. Wir kön­nen die Kör­per bis zu drei Jah­re so er­hal­ten, da­nach wird die Qua­li­tät schlech­ter.« Hör­ba­rer Stolz schwang in der Stim­me des Arz­tes mit, der nun die Decke wie­der über ihn brei­te­te. »Aber las­sen sie uns in mei­nem Büro wei­ter re­den.«
    Der Arzt hat­te mit dem un­be­kann­ten Be­su­cher den Raum ver­las­sen und Pe­ter war wie er­starrt. Das eben Ge­hör­te war so un­ge­heu­er­lich, so all­um­fas­send schreck­lich und ab­surd, dass sein Ge­hirn sich wei­ger­te, es an­zu­er­ken­nen. Es war ein über­lau­tes Rau­schen in sei­nem Kopf. Die Wech­sel­druck­ma­trat­ze be­weg­te sich wie­der un­ter ihm. Er ver­lor das Be­wusst­sein. Als Pe­ter Wel­ler aus sei­ner Ohn­macht er­wach­te, er­blick­te er eine Frau, die ihre Hän­de vor ihr Ge­sicht ge­schla­gen hat­te und laut wein­te. »Mama?« woll­te er sage, nein, schrei­en, doch nur ein lei­ses Pfei­fen ent­rann sei­ner Keh­le.
    »Ja, das ist schon er­staun­lich, nicht? Die Ähn­lich­keit mit ih­rem Sohn ist ver­blüf­fend. Und schau­en sie mal, so­gar die Au­gen­far­be passt.« Die Frau nahm ihre Hän­de vom Ge­sicht und sah ihn an. Nicht sei­ne Mut­ter, die­se Frau hat­te Pe­ter noch nie­mals ge­se­hen.  
    »Wir kön­nen das gan­ze Ge­sicht, so wie es ist, ver­pflan­zen. Mit ei­ni­gen Än­de­run­gen wird ihr Sohn wie­der so aus­se­hen, wie vor dem Un­fall. Und auch wenn wir ih­rem Klaus das Au­gen­licht nicht wie­der­ge­ben kön­nen, so schaf­fen wir es we­nigs­tens, dass sei­ne Au­gen wie­der nor­mal aus­se­hen, also wie vor dem Feu­er. Num­mer sie­ben­und­zwan­zig hier ist so gut wie ver­kauft, schla­gen sie also zu und mor­gen geht es los.« Die Bei­den ver­lie­ßen das Zim­mer und be­ach­te­ten die Trä­nen nicht, die aus Pe­ter Wel­lers Au­gen ran­nen und die tie­fe Ver­zweif­lung in sei­nen Zü­gen schi­en ih­nen gleich­gül­tig zu sein.Das konn­te nicht wahr sein. Nie­mals konn­te es das ge­ben, dass er hier aus­ge­wei­det und ver­kauft wer­den wür­de. Er ver­such­te ver­zwei­felt, sich aus sei­ner Fi­xie­rung zu be­frei­en, doch es war  schier un­mög­lich, an sei­ner Lage auch nur einen Deut zu ver­än­dern. Nach Stun­den der voll­kom­me­nen Angst und Pa­nik, der Ge­wiss­heit des ei­ge­nen na­hen­den To­des war er dem Wahn­sinn so nahe, dass er die Un­säg­lich­keit sei­ner Si­tua­ti­on kaum mehr wahr­nahm.
    Die Tür öff­ne­te sich und er sah den Arzt zum letzten Mal. »Dann wol­len wir mal«, sag­te die­ser und beug­te sich über ihn. Er spür­te die In­jek­ti­on in sei­ner Arm­beu­ge. Es folg­te ein ra­san­ter Fall in tiefs­te Dun­kel­heit, in ein zeit­lo­ses Nichts. Als er wie­der an die Ober­fläche kam, war er frei. Er konn­te sei­nen rech­ten Arm he­ben und auch sei­ne Bei­ne schie­nen nicht mehr ge­fes­selt zu sein. Er leb­te noch, viel­leicht war dies sei­ne Chan­ce, dem si­che­ren Tod noch zu ent­rin­nen.

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