24 kurze Albträume (German Edition)
einwandfreiem Zustand. Er hat die Blutgruppe AB positiv. War nicht so einfach, so einen zu finden, aber sie wissen ja, geht nicht, gibt es nicht. Wir haben Käufer für etwa vierzig Prozent der transplantationsfähigen Teile, also sollten Sie ihre Entscheidung nicht zu lange herauszögern.«
Peter Weller starrte entsetzt auf den Hinterkopf des Arztes. Sein Puls raste und sein Atem ging viel zu schnell. In Panik versuchte er, die Gurte, mit denen er an das Bett gefesselt war, zu sprengen. Vergeblich.
»Nummer siebenundzwanzig ist seit drei Wochen bei uns. Wie bei den anderen haben wir die Stimmbänder entfernt und eine Magensonde gelegt.« Der Arzt drehte sich zu ihm um und griff nach der weißen Decke, die Peters Körper bedeckte. Erst jetzt nahm er wahr, dass er unter der Bettdecke vollkommen nackt war. Sein ganzer Körper zitterte, was den Arzt nicht im Geringsten zu interessieren schien.
»Sehen sie? Der künstliche Darmausgang, der Blasenkatheder und die Magensonde erhalten diesen Körper solange in einwandfreiem Zustand, bis wir ihn abernten können. Störende Geräusche sind durch die Entfernung der Stimmbänder stark reduziert. Wir können die Körper bis zu drei Jahre so erhalten, danach wird die Qualität schlechter.« Hörbarer Stolz schwang in der Stimme des Arztes mit, der nun die Decke wieder über ihn breitete. »Aber lassen sie uns in meinem Büro weiter reden.«
Der Arzt hatte mit dem unbekannten Besucher den Raum verlassen und Peter war wie erstarrt. Das eben Gehörte war so ungeheuerlich, so allumfassend schrecklich und absurd, dass sein Gehirn sich weigerte, es anzuerkennen. Es war ein überlautes Rauschen in seinem Kopf. Die Wechseldruckmatratze bewegte sich wieder unter ihm. Er verlor das Bewusstsein. Als Peter Weller aus seiner Ohnmacht erwachte, erblickte er eine Frau, die ihre Hände vor ihr Gesicht geschlagen hatte und laut weinte. »Mama?« wollte er sage, nein, schreien, doch nur ein leises Pfeifen entrann seiner Kehle.
»Ja, das ist schon erstaunlich, nicht? Die Ähnlichkeit mit ihrem Sohn ist verblüffend. Und schauen sie mal, sogar die Augenfarbe passt.« Die Frau nahm ihre Hände vom Gesicht und sah ihn an. Nicht seine Mutter, diese Frau hatte Peter noch niemals gesehen.
»Wir können das ganze Gesicht, so wie es ist, verpflanzen. Mit einigen Änderungen wird ihr Sohn wieder so aussehen, wie vor dem Unfall. Und auch wenn wir ihrem Klaus das Augenlicht nicht wiedergeben können, so schaffen wir es wenigstens, dass seine Augen wieder normal aussehen, also wie vor dem Feuer. Nummer siebenundzwanzig hier ist so gut wie verkauft, schlagen sie also zu und morgen geht es los.« Die Beiden verließen das Zimmer und beachteten die Tränen nicht, die aus Peter Wellers Augen rannen und die tiefe Verzweiflung in seinen Zügen schien ihnen gleichgültig zu sein.Das konnte nicht wahr sein. Niemals konnte es das geben, dass er hier ausgeweidet und verkauft werden würde. Er versuchte verzweifelt, sich aus seiner Fixierung zu befreien, doch es war schier unmöglich, an seiner Lage auch nur einen Deut zu verändern. Nach Stunden der vollkommenen Angst und Panik, der Gewissheit des eigenen nahenden Todes war er dem Wahnsinn so nahe, dass er die Unsäglichkeit seiner Situation kaum mehr wahrnahm.
Die Tür öffnete sich und er sah den Arzt zum letzten Mal. »Dann wollen wir mal«, sagte dieser und beugte sich über ihn. Er spürte die Injektion in seiner Armbeuge. Es folgte ein rasanter Fall in tiefste Dunkelheit, in ein zeitloses Nichts. Als er wieder an die Oberfläche kam, war er frei. Er konnte seinen rechten Arm heben und auch seine Beine schienen nicht mehr gefesselt zu sein. Er lebte noch, vielleicht war dies seine Chance, dem sicheren Tod noch zu entrinnen.
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