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24 kurze Albträume (German Edition)

24 kurze Albträume (German Edition)

Titel: 24 kurze Albträume (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Schleheck , Oliver Henzler , Michael Rapp , Bernhard Giersche
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Dann beug­te sich plötz­lich sein Mör­der über ihn und sah ihm in die Au­gen. Re­flexar­tig griff er an den Hals sei­nes Pei­ni­gers und drück­te mit al­ler Kraft zu. Meh­re­re Stim­men schri­en laut auf, je­mand ver­such­te den Griff um den Hals des Dok­tors zu lö­sen, doch er ließ auch dann nicht locker, als der leb­lo­se Arzt ihn mit to­ten Au­gen und dun­kelblau­en Lip­pen an­starr­te. Erst als sie ihm ein star­kes Be­ru­hi­gungs­mit­tel ver­ab­reicht hat­ten, lös­ten sich die Hän­de von Num­mer Sie­ben­und­zwan­zig und er ver­lor das Be­wusst­sein.
    »Und das war nur eine Blind­darm-OP?« frag­te der Po­li­zist we­nig später. Der Chef­arzt nick­te. »Ja, Ver­wirrt­heit nach Voll­nar­ko­se. Das kommt vor, aber so habe ich es noch nie er­lebt. Mein Gott, der arme Ro­bert.«
     

Kirs­ten Riehl
     
    Schwar­zer Tod  
     
    Der Sturm in sei­nem Kopf ließ lang­sam nach. Er hat­te sich wie­der im Griff und wur­de ru­hi­ger. Warum muss­te sie ihn im­mer so an­se­hen? Er konn­te das auf den Tod nicht aus­ste­hen. Der Cho­rus in sei­ner Zim­me­r­ecke ver­spot­te­te ihn im­mer noch, aber die Stim­men wur­den schon lei­ser, dröhn­ten nicht mehr.
    »Du Feig­ling! Lässt du dir das bie­ten?«
    »Wer ist die­se dum­me Schnep­fe, dass sie so mit dir um­springt?«
    »Bist du nicht Manns ge­nug, ihr das Maul zu stop­fen?«
    »Und du willst ein Mann sein?«
    Sie stie­ßen sich ge­gen­sei­tig an. Sie be­trach­te­ten ihn. Sie lach­ten. Er wuss­te: Wenn er jetzt nicht han­del­te, wür­den sie die gan­ze Nacht kei­ne Ruhe ge­ben.
    Schon seit Ta­gen gin­gen ihm ihre ge­lock­ten blon­den Haa­re nicht mehr aus dem Kopf. Ei­gent­lich war sie eine Schön­heit. Die Nase war viel­leicht ein we­nig zu groß. Und der Mund auch. Aber ihre Fi­gur war per­fekt – nicht zu ma­ger und nicht zu dick. Er moch­te auch ihre Stim­me. Ja und dann die­se zar­ten Hän­de, mit de­nen sie beim Aus­tei­len der Me­di­ka­men­te im­mer so gra­zil han­tier­te.
    Vor ein paar Ta­gen hat­te er sei­nen gan­zen Mut zu­sam­men ge­nom­men und sie ge­fragt, ob sie mit ihm aus­ge­hen mag. Ins Kino viel­leicht. Oder auf einen Kaf­fee ins Lin­den­stüb­chen . Und da hat­te sie ihn das ers­te Mal so ko­misch an­ge­se­hen. So von un­ten her – sie war ja einen Kopf klei­ner als er, und mit ei­nem Miss­trau­en im Blick, dass es ihn ins Herz traf. Der Cho­rus hat­te so­fort an­ge­fan­gen, Spott­lie­der zu sin­gen und ihn aus­zu­la­chen, und nun ver­lang­te er den Tod der Kran­ken­schwes­ter. Es mach­te ihn trau­rig, denn er hat­te sie in den letzten acht Wo­chen, seit sie auf Sta­ti­on drei ar­bei­te­te, lieb ge­won­nen -  ihre vol­le Stim­me, ih­ren wie­gen­den Gang, ihr blond­ge­lock­tes Lächeln, mit dem sie mor­gens früh je­den be­grüßte.
    »Das mei­nen Sie jetzt doch nicht ernst!«, hat­te sie ihm auf sei­ne Ein­la­dung geant­wor­tet und dann ge­lächelt. Es war nicht die­ses freund­li­che Lächeln, das er an ihr kann­te. Es war ein misstraui­sches und ein ver­ächt­li­ches Lächeln. Sie mach­te sich über ihn lus­tig. Na­tür­lich – mit die­sem Aus­se­hen konn­te sie je­den Kerl ha­ben. Einen mit Geld. Oder einen jun­gen mus­kel­be­pack­ten Sport­ler. Er war nicht mehr jung und sport­lich auch nicht. Das hat­te sie si­cher ab­ge­sto­ßen. Warum konn­te sie nicht er­ken­nen, was für ein Mensch er war? Gut­her­zig, treu, lie­be­voll. Er hät­te ihr ein Le­ben in um­sor­gen­der Har­mo­nie bie­ten kön­nen.
    »Sie kann dich nicht lei­den!«
    »Sie will einen ech­ten Mann, du Würst­chen.«
    Der Cho­rus mel­de­te sich im­mer noch lei­se aus der Zim­me­r­ecke, doch es wa­ren nur noch ver­ein­zel­te Stim­men. Trotz­dem wür­den sie kei­ne Ruhe ge­ben, bis er nicht et­was un­ter­nom­men hät­te.
    Die­se Heil- und Pfle­gean­stalt hat­te dicke Mau­ern aus dem vor­letzten Jahr­hun­dert. Ei­ni­ge Ge­bäu­de wa­ren in den letzten Jahr­zehn­ten dazu ge­kom­men und we­ni­ger wuch­tig, eher funk­tio­nal, aber auch we­ni­ger ver­win­kelt, we­ni­ger schall­ge­schützt. Sie durf­te nicht hier auf der Sta­ti­on ster­ben. Es muss­te ein ab­ge­le­ge­ner und schwer auf­find­ba­rer Ort sein, der nicht zu den nor­ma­len Ar­beits­be­rei­chen

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