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24 kurze Albträume (German Edition)

24 kurze Albträume (German Edition)

Titel: 24 kurze Albträume (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Regina Schleheck , Oliver Henzler , Michael Rapp , Bernhard Giersche
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blei­che Ge­sicht En­zen­ber­gers vor dem Fens­ter. Wirr stan­den ihm die Haa­re vom Kopf und sei­ne Au­gen wa­ren vor Ent­set­zen weit auf­ge­ris­sen.  Wild fuch­tel­te er mit sei­nen dür­ren Hän­den.
Schnell wur­den Haus- und Hin­ter­tü­re ver­rie­gelt, denn den Tod durf­te man nicht in die Stu­be las­sen. Ein Mu­ti­ger stürm­te in das ers­te Stock­werk, riss ein Fens­ter auf und rief dem wild ges­ti­ku­lie­ren­den En­zen­ber­ger zu: »Lud­wig, jetzt sag scho, steh’n ma wid­der auf, wenn ma gstorbn sin?« »Ja, wid­der aufgstan­den« hör­te er von un­ten wim­mern, »lasst mi nei«
Mitt­ler­wei­le hat­te sich die Mei­nung durch­ge­setzt, dass sich der Teu­fel den Leib vom Lud­wig En­zen­ber­ger ge­nom­men hat­te, um sich in die Häu­ser ein­zuschlei­chen und alle ins Ver­der­ben zu zie­hen.  
    Man tat des­halb das ein­zi­ge Ver­nünf­ti­ge, man zog die Vor­hän­ge zu, lösch­te das Licht, be­te­te und trank reich­lich vom Schnaps.  
    Das Klop­fen und Wim­mern hör­te dann auch bald dar­auf auf.

Der nächs­te Tag brach­te neu­es Un­heil. En­zen­ber­gers Leich­nam war ver­schwun­den, das Lei­chen­häus­chen ver­wüs­tet. Um­ge­kippt lag der teue­re Sarg zwi­schen Blu­men und Krän­zen und das klei­ne Holz­kreuz war zer­schla­gen. Das über­zeug­te jetzt auch die letzten Zweif­ler. Das hier war Teu­fels­werk.
Über­all erzähl­te man sich, wo und bei wem der Teu­fel um Ein­lass ge­bet­telt hat­te. Selbst vor dem Wort »Barm­her­zig­keit« sei er nicht zu­rück­ge­schreckt, habe im­mer wie­der ge­ru­fen, dass man doch Freun­de ge­we­sen sei und da­bei den schmäch­ti­gen Kör­per vom Lud­wig durch­ge­schüt­telt.

Ge­gen Abend fand man auch end­lich den Leich­nam wie­der. Er lag auf ei­nem Feld und war auf­grund der nächt­lich ein­set­zen­den Käl­te mit­samt dem Lei­chen­hemd steif ge­fro­ren.  
    En­zen­ber­ger wur­de wie­der in sei­nen Sarg ge­legt, der dies­mal so­fort ver­schlos­sen wur­de. Nach all der Auf­re­gung wur­de der Tote tags dar­auf be­er­digt. In den Ge­sich­tern der Trau­ern­den war ein selt­sa­mes Leuch­ten, hat­te ih­nen doch der Lud­wig ge­sagt, dass man wie­der auf­erste­hen wür­de. Wer sonst, au­ßer ihm, konn­te das so ge­nau wis­sen.
     

Re­gi­na Schle­heck 
     
    Hüp­fe­käst­chen  
     
    Wenn Lisa vom Bal­kon run­ter­guckt, sieht sie die Men­schen ziem­lich klein un­ten am Haus vor­bei­ge­hen. Sie kann auch die Kin­der se­hen, die auf dem Bür­gers­teig mit Krei­de Hüp­fe­käst­chen auf­ge­malt ha­ben. Sie wer­fen einen Stein in ein Käst­chen und hüp­fen hin­ter­her. Den Stein kann Lisa nicht er­ken­nen, auch nicht, wenn sie sich ganz weit vor­beugt. Aber sie sieht die Hand­be­we­gun­gen der Kin­der, und manch­mal ist sie auch un­ten vor­bei­ge­gan­gen, wenn die Kin­der Hüp­fe­käst­chen spiel­ten. 
    Sie hat Tho­mas von den Kin­dern erzählt und Tho­mas hat sich das Spiel ge­nau er­klären las­sen. Er hat auf sei­nem Mil­li­me­ter­pa­pier eine Zeich­nung an­ge­fer­tigt von den Hüp­fe­käst­chen, und dann hat er einen Pfeil ge­zeich­net für die Flug­bahn des Steins. 
    Lisa hat ihm von dem Klap­pern der Holz­schu­he auf den Bür­gers­teig­plat­ten erzählt und von den ho­hen Stim­men der Kin­der, die sich beim Hüp­fen über­schla­gen. Sie sin­gen ein Lied in ih­rer Hei­mat­spra­che dazu im Rhyth­mus ih­rer Holz­schu­he, die von Käst­chen zu Käst­chen sprin­gen. 
    »In­ter­essant«, hat Tho­mas ge­sagt. Er ist früher bes­timmt nie auf Bür­gers­tei­gen gehüpft. Er ist auf li­ni­ier­tem Käst­chen­pa­pier ent­wor­fen wor­den, hat vier­zehn­tau­send­zwei­hun­dert­und­vier­zig mal sei­nen Kör­per in ei­nem recht­ecki­gen Bett in die Waa­ge­rech­te ge­bracht und hat­te da­bei bes­timmt noch nie Alp­träu­me. Tags­über ar­bei­tet er an dem Schreib­tisch, der vor ei­nem Jahr noch Li­sas Va­ter ge­hört hat, und zeich­net Grund­ris­se und rech­net Be­ton mal Schrau­ben di­vi­diert durch Lüf­tungs­schäch­te. 
    Lisa möch­te so gern den Stein in dem Käst­chen se­hen kön­nen. Sie spürt einen Stein in ih­rem Bauch, und wenn sie sich noch wei­ter vor­beugt, dann könn­te ihr Stein –

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