24 kurze Albträume (German Edition)
gehörte.
»Nimm den Keller unter der alten Kantine in Trakt sieben!« Das war Zebedäus, der Bedächtige. Gewöhnlich hielt er sich sehr zurück, wenn die Stimmen ihn verspotteten. Vielmehr stand er mit Rat und Tat zur Seite. Seine Ratschläge kamen immer im passenden Moment und waren stets die Antwort auf seine Überlegungen, die er eigentlich nur in seinem Kopf ausbrütete. Zebedäus hatte sich aus den Reihen des Chorus gelöst und stand nun neben ihm. Seine schwarzen Flügel hatte er am Rücken angelegt.
Trakt sieben stand seit Monaten leer, weil Teile des alten Gebäudes einsturzgefährdet waren.
»Du betäubst sie mit einem Schlag gegen die Schläfe und schleppst sie runter in den Keller, und dort nimmst du sie auseinander.« Das war Zinnober, der Chirurgus. Zinnober liebte es, ihm beim Sezieren Anweisungen zu geben. Er grinste frech herüber aus der Zimmerecke und rieb sich die Hände, denn er freute sich auf die Obduktion.
»Vor allem darfst du es nicht dumm anstellen.« Das war Zichorium, der Vorsichtige. Er war der Kleinste des Chorus und vielleicht deshalb so vorsichtig. Sein Verstand war dafür der schärfste. Stets bedachte er alle Unwägbarkeiten, warnte vor unbedachten Handlungen, beruhigte bei aufbrausender Wut und verlangte Sicherheiten, Alibis und unauffindbare Verstecke. Ohne sein Einverständnis kam kein endgültiger Beschluss des Chorus zustande.
»Du tust es erst, wenn ihre Schicht vorbei ist, damit dich niemand mit ihr in Verbindung bringt. Und du vergisst nicht die Handschuhe und den Plastikkittel und eine Haube über den Haaren wegen der genetischen Spuren. Hinterher musst du alles verbrennen, am besten noch am Tatort.« Zichorium war sehr gebildet. Er kannte sich mit Gentests und dem ganzen Kram aus.
»Also gut, also gut«, murmelte er vor sich hin.»Ich werde es heute tun.«
Es entstand Bewegung in der Gruppe. Sie stießen sich gegenseitig an, doch diesmal sollte das Bewunderung bedeuten. Er konnte es an ihren schwarzen Gesichtern ablesen.
»Ich werde es heute tun«, wiederholte er lauter und mit erhobenem Kopf. »Keine Frau soll mich so verachten dürfen.«
Das bewundernde Gemurmel schwoll an und umhüllte ihn wohltuend wie warmer Badeschaum.
Er straffte sich, strich seinen Kittel glatt und drehte sich zur Tür. Die schwarzen Gestalten murmelten noch ein Weilchen hinter ihm her, gaben dann aber Ruhe und lösten sich im Nebel auf. Diese Ruhe verspürte er immer nur kurz vorher, wenn alle Mitglieder des Chorus zu Ende diskutiert hatten und Zichorium die letzte Genehmigung erteilt hatte. Wie sehr wünschte er, er könnte diese Ruhe immer haben!
Es klopfte an der Tür.
»Ja bitte!«
Die Krankenschwester mit dem italienischen Akzent trat ein, einen Stapel Krankenakten auf dem Arm.
»Es ist gleich Visite.«
»Ja ich komme schon.«
»Wollen Sie vorher noch die Krankenakte der neuen Patientin ansehen oder gehen wir sofort los, Herr Doktor?
Alma Maria Schneider
Enzenbergers Tod
Eilends hoben die beiden Totengräber am Morgen des grauen Februartages das Grab aus, denn bald sollte es wieder Frost geben. Den verstorbenen Enzenberger hatte man hergerichtet und im repräsentativen Eichensarg im Leichenhäuschen auf dem Friedhof aufgebahrt.
Am Abend drängten Freunde und Nachbarn in das Trauerhaus. Die kleine Wohnstube war dicht gefüllt. Alle waren gekommen, um den Hinterbliebenen ihr Beileid auszusprechen. Die Witwe schenke Schnaps aus, um ein letztes Mal auf ihren verstorbenen Mann anzustoßen. Draußen war es bereits dunkel und dichter Schnee fiel, als ein hartes Klopfen am Wohnzimmerfenster die Aufmerksamkeit der Trauernden auf sich zog.
Erschrocken sahen sie kurz darauf das
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