24 Stunden
ertragen, weil Abby sonst stirbt, könnte ich mich zwingen, damit zu leben. Könntest du es auch?«
Will fehlten die Worte. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass er einen Menschen so sehr hassen könnte. Wenn er diesen Mann je zu Gesicht bekäme, wäre er wahrscheinlich sogar in der Lage, ihn zu töten. Doch das half Karen jetzt auch nicht weiter.
»Karen... Ich weiß, dass es bei uns nicht immer so lief, wie es hätte laufen sollen. Ich weiß nicht genau, wie es dazu kommen konnte, aber ich vermute, dass es mit dem Abbruch deines Studiums zu tun hat.«
»O mein Gott«, erwiderte Karen in hysterischem Ton. »Du hast Recht, auch wenn sich das jetzt unglaublich lächerlich anhört. In diesem Augenblick will ich nur noch meine Kleine zurückhaben.«
»Wir werden sie zurückbekommen. Das schwöre ich dir. Und was immer du auch tun musst, damit ihr beide am Leben bleibt, ich kann damit leben. Nichts, was du je tun könntest, ändert etwas an meiner Liebe zu dir, Karen. Nichts. Ich hoffe nur, du kannst mir verzeihen, dass das passiert ist.«
Karen fing an zu schluchzen und murmelte etwas, das er kaum verstehen konnte. »Es ist nicht deine Schuld«, glaubte er herausgehört zu haben.
»Lass Hickey bis sechs Uhr schlafen«, sagte er, weil er nicht wollte, dass sie mehr Zeit als unbedingt nötig mit diesem Mann verbrachte. »Wenn er bis dahin keinen Kontrollanruf mehr durchgeführt hat, musst du ihn wecken, damit er Huey anruft. Tu so, als drehst du durch. Sag ihm, du überweist das Geld erst, wenn du weißt, dass mit Abby alles in Ordnung ist.«
»Ja okay.«
Sie schwiegen noch einen kurzen Moment, dann verabschiedete sich Karen leise und legte auf.
Es wurde halb sechs, doch das Telefon klingelte nicht.
Jetzt war es sechs Uhr, und das Telefon schwieg noch immer. Hatte Karen versucht, Hickey zu wecken? Versuchte sie es gerade? Oder hatte sie es geschafft und musste sich diesem Mann jetzt unterwerfen, damit Abby am Leben blieb?
Der schwarze Himmel über der Bucht wich allmählich einem Indigoblau. Gleich würde die Dämmerung hereinbrechen, und Garnelenboote und Tiefseefischer würden aufs Meer hinausfahren, um jenseits der Inseln zu fischen. Will konnte fast sehen, wie die westliche Halbkugel sich ostwärts zur Sonne drehte, als hätte Stanley Kubrick einen Werbespot für CNN gedreht. Aber Kubrick war tot. Und wenn Hickey seine Kontrollanrufe nicht durchführte, könnte Abby auch bald tot sein.
Als das Telefon klingelte, hielt er den Atem an. Er lief zum Sofa und stieß Cheryl an, die leise schnarchte. Sie rieb sich über die Augen, griff nach dem Telefon und nickte. Es war Hickey. Sie murmelte ihr übliches »Alles in Ordnung« und legte auf. Will schaute sie wortlos an. Cheryl sah schrecklich erschöpft aus, und tatsächlich schloss sie sofort wieder die Augen und sank auf die Couch.
Zwei Minuten später klingelte das Telefon erneut.
Cheryl streckte im Halbschlaf ihren Arm aus, doch Will kam ihr zuvor. »Hallo?«
»Harley Ferris hier.«
»Was haben Sie erreicht?«
»Die Zielperson in Hazelhurst hat ihr Handy kurz vor sechs eingeschaltet. Die Person in Ihrem Haus hat kurz nach sechs einen Anruf übers Festnetz getätigt, der durch das Hazelhurst-Gebiet ging. Der Anruf dauerte sechzehn Sekunden, und die Zielperson hat das Mobiltelefon sofort nach dem Anruf ausgeschaltet.«
»Bringt uns das weiter?«
»Mein Mitarbeiter hat das Gebiet auf zirka sieben Quadratmeilen eingegrenzt.«
»Dann sind wir genauso schlau wie vorher!«
»Nein, das stimmt nicht. Sie haben gesagt, dass die Hütte zehn oder fünfzehn Meilen westlich von Hazelhurst auf einem Waldweg liegt. Das umfasst ein Gebiet von fünfundzwanzig Quadratmeilen.«
Will stöhnte und rieb sich über die Stirn. »Tut mir leid. Ich werde noch ganz verrückt. Sie haben niemanden informiert, nicht wahr?«
»Nein, doch das hätten wir schon längst tun sollen.«
»Noch nicht. Bitte noch nicht.«
»Es sind sehr kurze Anrufe, Doktor. Wir rechnen mindestens mit einer Stunde, um die Zielperson aufzuspüren. Und das nur, wenn die halbstündigen Kontrollanrufe durchgeführt werden.
Und was ist, wenn er noch einen auslässt? Oder zwei?«
Gott möge das verhüten.
»Es ist meine Entscheidung, wann das FBI informiert wird, Mr. Ferris. Wir haben noch etwas Zeit. Im Moment kann das FBI uns auch nicht weiterhelfen. Ich habe Ihnen alle Rufnummern gegeben, unter denen ich zu erreichen bin.«
»Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun.«
»Das hoffe ich auch.«
Will
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