2402 - Der GESETZ-Geber
einen unverzeihlichen Fehler begangen hatten. In ihrer Eile hatten sie keine Lampen mitgenommen, und ohne Lichtquelle konnten sie nicht in die Tiefe steigen. Sie mussten zurück nach Hause, Lampen holen – ein nicht wiedergutzumachender Zeitverlust.
Als wäre der Gedanke der Auslöser dafür, meldete das Kommunikationsgerät einen Anruf. Pothawk nahm das Gespräch an und seufzte erleichtert, als er die Stimme seines Bruders hörte.
„Was ist?", fragte Vizquegatomi wenig freundlich. „Musst du mich an meinem letzten Abend stören?"
„Egal wo du bist, komm her und bring eine Lampe mit! Es geht um Pouxai. Sie ist im Brunnen!" Als Vizquegatomi nicht antwortete, steigerte sich das mulmige Gefühl in Pothawk. Würde sein Bruder sie im Stich lassen? „Hast du mich gehört?"
„Wo seid ihr?"
„Am Eingang zum Brunnen."
„Ihr geht nicht hinein."
„Pouxai ..."
„Nicht ohne mich!", stellte Viz klar.
„Ich bin in wenigen Minuten bei euch."
„Wo bist du jetzt?"
„Das spielt keine Rolle. Ihr bewegt euch nicht von der Stelle." Ohne Pothawk die Gelegenheit einer Antwort zu geben, beendete Vizquegatomi die Verbindung.
Pothawk stellte sich neben Limbox, der nach wie vor in die gähnende Schwärze der Brunnenöffnung starrte.
„Was weißt du über das, was uns da unten erwartet?", fragte sein jüngerer Bruder.
„Darauf kann ich dir nur eine Antwort geben, und die wird dir nicht gefallen."
Pothawk drehte den Kopf, war seinem Bruder nun so nah, dass er dessen Atem spüren konnte. „Nichts."
„Du warst nie unten?"
„Natürlich nicht." Er hatte zwar Gerüchte gehört, dass andere Kinder als Mutprobe in die Tiefe geklettert waren, aber Pothawk hielt das für Aufschneiderei. Niemand mit klarem Verstand würde sich den alten Tunneln und Röhren anvertrauen, die angeblich mit billigen Materialien errichtet worden und längst baufällig und einsturzgefährdet waren.
Die Anlagen in der Tiefe liefen seit Jahrhunderten nicht mehr.
„Das da unten ist eine einzige Todesfalle", sagte Pothawk. „Ein Labyrinth voll von Gefahren."
„Woher weißt du das?"
„Jeder weiß das."
„Eben", meinte Limbox. „Und woher weiß es jeder? Weil alle anderen es behaupten. Vielleicht ist es ganz anders. Ich kenne keinen, der jemals unten war."
„Aber ich", sagte eine tiefe Stimme aus einiger Entfernung. Schwere Schritte näherten sich. Vizquegatomi war gekommen und hatte gute Ohren bewiesen.
„Wen kennst du, der wirklich unten war und es nicht nur behauptet?", fragte Limbox.
Viz erhob sich auf die Hinterbeine und stieß seine beiden Brüder harsch zur Seite, um selbst in den Einstieg schauen zu können. „Ich war unten. Genügt das?"
Pothawk war gestürzt und rappelte sich wieder auf die Füße. Es kam ihm nicht in den Sinn, sich bei Viz über die unsanfte Behandlung zu beschweren. „Du warst unten?"
Viz knurrte. „Was dagegen?"
Wie könnte er das angesichts der Tatsache, dass Vizquegatomis Wissen sich nun als unbezahlbar erweisen würde? „Mich stört nur, dass du mich nicht mitgenommen hast."
„Und weißt du, was mich stört? Dass ihr nicht besser auf Pouxai aufgepasst habt! Was hättet ihr morgen getan, wenn ich auf der Akademie bin?"
„Dann wären wir ohne dich in die Tiefe gestiegen und hätten sie herausgeholt!"
„Ganz bestimmt ohne Lampe", sagte Viz abfällig. „Seid ihr sicher, dass Pouxai dort unten ist?"
Viz hatte ihre größte Unsicherheit zielgenau aufgedeckt. Pothawk fühlte, wie sich sein Nackenfell sträubte. „Wir sind nicht sicher. Aber wahrscheinlich liegt sie irgendwo da unten, und wenn wir lange diskutieren, werden wir sie vielleicht nicht mehr retten können."
„Wenn es nicht sowieso längst zu spät ist", ergänzte Vizquegatomi düster.
Dann überkletterten sie den Eingang und stiegen in die ungewisse Tiefe.
*
Viz hatte sich eine Lampe um die Brust geschnallt, die den Weg für ihn erleuchtete und die Umgebung in mattes Zwielicht tauchte.
„Ihr könnt dankbar sein, dass ich die Lampe mithabe", sagte Viz.
Das war Pothawk durchaus klar. „Ohne Licht hätten wir nicht absteigen können."
„Nicht nur das. Ohne Licht wären längst die Ruarkhis über uns hergefallen."
„Hier unten gibt es Ruarkhis?" Ein Schauer lief über Pothawks Rücken, als er an die kleinen, aggressiven Nagetiere dachte.
„Es wimmelt geradezu von ihnen. Als ich das erste Mal unten war, hatten wir für eine Minute kein Licht. Da sind sie sofort aus ihren Löchern gekrochen und wollten uns
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