2413 - Das Genetische Magazin
Einen miserableren Stellvertreter hätte der Hoch-Medokogh ihm nicht zur Seite stellen können. Aber Pharoib Inssino genoss das Vertrauen und das Wohlwollen des Kommandanten. Merquin blieb nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren und auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Nicht hier, nicht heute, da Rorian Omokra jeden ihrer Schritte beobachtete.
„Schlaf nicht ein!", fuhr er den Kolonnen-Anatomen an. „Wir sind noch nicht fertig."
*
Sheymor Merquin spürte ein leichtes Unwohlsein in sich. Den Grund sah er in der überlegenen Hightech des Zentralmoduls der DERUFUS. Tausende von Kolonnen-Anatomen hätten nicht geschafft, was die wabernden Gebilde in ihren Häusern innerhalb kurzer Zeit vollbrachten.
Erst das Tresorhaus, jetzt das Reprotronhaus.
Angesichts solcher Wundermaschinen kam sich Merquin klein und unbedeutend vor. Ein Seitenblick zeigte ihm, dass es Inssino ebenso erging. Sie als Gestalter von Leben und Tod staunten ehrfürchtig angesichts dessen, wozu TRAITOR fähig war. Es ließ sie selbst und ihre Arbeit bedeutungslos werden.
Sie standen wieder in einem quadratischen Haus von 30 Metern Kantenlänge. Die Höhe betrug laut Bauplan 42 Meter, aber für ihre Sinne war die Decke nicht zu erkennen; das Haus schien sich nach oben ins Unendliche zu erstrecken.
Dort oben hing eine weiße, bikonvexe Linse von 25 Metern Durchmesser und acht Metern Dicke. Als sie abwärts sank und für das unbewehrte Auge sichtbar wurde, erkannten sie das charakteristische Fließen auf ihrer Oberfläche, als „zittere" das Gebilde permanent auf und ab. Schließlich verharrte die Linse in mehr als zehn Metern Höhe.
Merquin beobachtete Roi Danton.
Dieser bewegte sich inzwischen gezielt.
Er tastete mit den Händen in dem Tank hin und her. Die Augen hielt er nach wie vor geschlossen. Nach einer Weile erlahmten seine Bewegungen jedoch. An dem Supra-Spezialrechner leuchtete ein TraiCom-Schriftband auf. Die Urbilder werden in Halbschlaf versetzt.
Das war der optimale Zustand für die Behandlung im Paralog-Reprotron, wusste Sheymor Merquin. Gemeinsam positionierten sie die beiden Tanks unmittelbar unter der Linse.
„Deine Zielkörper sind Roi Danton und Yrendir", sagte der Kolonnen-Anatom.
Der Supra-Spezialrechner verglich die beiden Körper mit den in seinen Speichern abgelegten Daten und überprüfte die Identität. Unsichtbare Kraftfelder fassten nach den Urbildern und sogen sie wie durch unsichtbare Schläuche hinauf in die fließende Linse.
„Es ist fantastisch, einfach unbeschreiblich!" Pharoib Inssino deutete auf die Linse, deren fließende Bewegungen sich beschleunigten und nach und nach verwirbelten. Merquin musste den Blick senken, weil ihm davon schwindelig wurde. Innerhalb von wenigen Minuten waren sie so schnell, dass die beiden Kolonnen-Anatomen mit ihren langsamen, organischen Augen nur noch ein weißes Wabern erkennen konnten.
„Eines Tages wird man den wichtigsten und erfolgreichsten Kolonnen-Anatomen ebenfalls ins Paralog-Reproton schicken", sagte Inssino. Sheymor Merquin bildete sich ein, einen spöttischen Unterton in seiner Stimme zu hören. Es war ein Grund mehr, den Stellvertreter zu hassen.
„Dieser wird ohne Zweifel Pharoib Inssino heißen", antwortete er ebenso spöttisch. „Er kann sich dann mit seinem Abbild um Mairn Thuin streiten."
Merquin schüttelte sich vor Heiterkeit. Der Lamellenpanzer kreischte schrill und unmelodisch, während über ihren Köpfen die bikonvexe Linse anfing, nahezu identische Kopien der Urbilder zu erstellen.
Über mehrere Lichtfelder des Supra-Spezialrechners huschten Zahlenkolonnen und Symbolketten. Das Paralog-Reprotron erfasste und kopierte die gesamte Lebensstruktur der Urbilder.
Wie das geschah, auf welchen wissenschaftlichen und technischen Prinzipien der Vorgang beruhte, war keinem Anatomen bekannt. Es existierten nicht einmal Daten darüber. Sheymor Merquin wusste lediglich, dass selbst das Bewusstsein und der Gedächtnisinhalt nahezu korrekt übertragen wurden. Die Abbilder hegten nie auch nur den geringsten Zweifel, sie könnten etwas anderes als die Originale sein.
Sheymor Merquin setzte sich auf den Rand von Dantons Konservierungstank.
Aus dem Innern roch es leicht süßlich. Sobald Roi Danton und Yrendir in ihren Tanks lagen, würde die Automatik Flüssigkeit hineinpumpen, die ihre Körper mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgte.
Zuvor aber hieß es warten. Erfahrungsgemäß verstrichen zwei Stunden Bordzeit, bis das
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