2414 - Die Bestie Ganymed
Planhirn – und er war imstande, es zu benutzen.
*
Man holte ihn, warf ihn, von blind machendem Schaum umgeben, in einen Raum. Allmählich fiel die Taubheit von seinem Körper ab. Er schied große Mengen an Flüssigkeit aus und riss sich, sobald es ihm möglich war, den Hartbrei vom Gesicht.
„Überlebe!", erklang die Stimme Konzig Asmos. Wieder beschränkte sich der Kolonnen-Anatom in seinen Anweisungen auf das Notwendigste.
Er gab keine Hinweise und leistete keine Hilfestellung.
Grelles Licht blendete Null für einen Augenblick; dann hatte er sich an die geänderten Umstände angepasst. Er befand sich in derselben Halle wie bei seinem Erwachen. Kahle Wände waren durch aufgespritztes Gestein ersetzt worden, der Boden war von feinkörnigem, tiefem Sand bedeckt.
Gluthitze erzeugte knapp über der Oberfläche wabernde Luft. Der Raum besaß also eine künstliche Atmosphäre, die besondere Lebensbedingungen eines Planeten simulieren sollte.
Ein Reibelaut erklang hinter ihm; im toten Winkel seiner Augen. Null drehte sich blitzschnell um, ließ sich auf die Oberarme fallen und stemmte die Beine angriffsbereit in den Boden. So konnte er aus dem Stand heraus auf höchste Geschwindigkeit beschleunigen und kraft seiner Masse jedem Gegner gefährlich werden. Und er musste einen Gegner haben; anders waren die Worte Konzig Asmos nicht zu interpretieren.
Es war nichts zu sehen.
Hatte er sich getäuscht?
Erneut das schabende Geräusch, diesmal links von ihm. Es war mehr zu spüren als zu hören.
Wiederum richtete Null sich aus, wiederum fand er kein Angriffsziel.
Sein Widersacher war unsichtbar – oder verstand es wesentlich besser als Null, sich die Verhältnisse im Raum zunutze zu machen. Was bedeutete, dass er sich höchstwahrscheinlich durch den Sand fortbewegen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen.
Null drehte sich einmal um die eigene Achse und prägte sich die Geländeformation ein. Er speicherte jedes Rippental, jede Verwirbelung und erstellte in seinem Geist ein dreidimensionales Abbild seiner Umgebung. Es gelang ihm mit seltsamer Mühelosigkeit. Es steckten Dinge in ihm, die er erst ganz allmählich zu begreifen begann.
Fraglich blieb, ob er jemals die Gelegenheit erhalten würde, sich ausführlich mit sich selbst zu beschäftigen.
Null drehte sich nun mit winzigen Schritten im Kreis und verglich den abgespeicherten Raumplan mit den Gegebenheiten, die sich während der zweiten und dritten Umdrehung ergaben. Da und dort entdeckte er Veränderungen. Kleine Sandhäufchen, wo vorher noch keine gewesen waren, oder Gruben, die darauf schließen ließen, dass sich dort irgendetwas durch den Untergrund gewühlt hatte.
Sein Gegner war ein Jäger. Ein geduldiger, der intelligent genug war zu erkennen, dass er ihm, der Bestie, an Kraft nichts entgegenzusetzen hatte.
Also griff er zu Tücke und Hinterlist.
Oder der Gegner war ein Tier, das mit diesem Verhaltensmuster sein Überleben am besten sichern konnte. Oder ein anderes Experimentalgeschöpf, das bereit war, mit allen zur Verfügung stehenden Mittel ums Überleben zu kämpfen.
Null erfasste ein rudimentäres Bewegungsmuster. Sein Widersacher glitt in Schleifen durch den Sand, ähnlich einer Schlange. Gleichzeitig kam er in enger werdenden Kreisbewegungen näher. Der Punkt, da er die Sandoberfläche durchstoßen und ihn direkt attackieren würde, stand damit allerdings noch nicht fest. Null wusste nichts über Größe und Sprungkraft des Gegners. Anzunehmen war, dass er es von hinten versuchen würde. Wenn Null stehen blieb, legte er die Richtung, aus der der Angriff kommen würde, fest.
Es tat gut, die Bedingungen zu diktieren, das Heft in die Hand zu nehmen. Es gab Null das Gefühl einer natürlichen Überlegenheit, die in seinem Verstand und nicht in seiner Körperlichkeit begründet lag.
Er ging ein paar Schritte zurück, näher hin zur Felswand. Einem Beobachter mussten seine Bewegungen fahrig und tollpatschig vorkommen. Als wäre er zu ungestüm und hätte Probleme mit der Körperkoordination, wie es nach einer langen Ruhepause im Konservierungstank ohne Weiteres passieren konnte.
Mithilfe seiner drei Augen verfolgte er nach wie vor die winzigsten Spuren.
Sein Gegner musste sich tief unter der Sandoberfläche bewegen und mit unglaublicher Sorgfalt vorgehen. Dennoch gelang es Null immer besser, sich auf die Bewegungsmomente des Unbekannten einzustellen. Er las das Seitwärts-Muster und dessen changierende Geschwindigkeiten.
Jetzt musste
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