2414 - Die Bestie Ganymed
Gegenstand verwachsen.
Die metallische Spitze wirkte nun wie ein Teil seines Fingers; wie eine seltsam geformte Fehlbildung.
Es kostete ihn große Überwindung, die Tortur fortzusetzen. Mit dem Daumennagel ritzte er die Haut auf. Er rüttelte, zog und schob das Teil hin und her. Langsam und geduldig, darauf achtend, dass die anderen drei Finger eine Hohlform bildeten, in die der Gegenstand fallen würde, sollte er ein weiteres Mal einschlafen.
Seine Atmung beschleunigte, als der Schmerz kam. Er ließ ihn versickern, ohne dass er seinen Geist erreichte. So, wie er es tausendfach in meditativen Übungen gelernt hatte. Das Fleisch des Fingers klappte nunmehr in zwei Teilen auseinander. Er wirkte fremd, und nicht zu seinem Körper gehörig; aus seinem Bewusstsein ausgeklammert.
Ein letztes Ziehen, Zerren und Schieben. Der Fingernagel des Daumens, der die Hauptarbeit der Operation erledigt hatte, splitterte. Das widerhakige Objekt landete in seiner hohlen Hand.
Der rote Blutsfaden, der sich neben seinem Kopf nach oben zog, verbreiterte sich. Die Finger waren zwar nicht allzu gut durchblutet; dennoch musste er die Wunde, so gut es ging, schließen.
Roi spürte das heruntergeklappte Fleisch des Fingers und presste es mit der Innenfläche des Daumens hoch, so fest es ihm in seinem erbärmlichen Zustand möglich war.
Nun musste er warten. Darauf hoffen, dass keiner der Kolonnen-Anatomen die geringfügige farbliche Verfärbung des Fluids bemerkte oder seine kurzfristig veränderten Biowerte registrierte. Trotz all seiner Konzentration war der Puls sicherlich um zehn oder mehr Schläge gestiegen.
Lange drückte er mit dem Daumen gegen die Wunde. Vielleicht verlor er zwischendurch das Bewusstsein, vielleicht erlahmten irgendwann seine Kräfte und gaukelten ihm Momente endloser Stasis vor. Als Roi endlich wieder seinen Finger spürte, fühlte er Bewegung an seiner Rechten. Einige Käfer wuselten dort hin und her, quetschten sich in die zur Faust geballte Hand.
Sie dürfen mir das Ding unter keinen Umständen wegnehmen!, dachte er erschrocken. Er drückte fester zu, wollte die Cyborg-Tierchen zerreiben.
Sie widerstanden seinen Anstrengungen mit erschreckender Leichtigkeit. Beinchen und Fühler bohrten sich in seine Haut und hakten sich dort ein.
An den halbrunden Körpern, so groß wie Münzen, rutschten die Finger ein ums andere Mal ab. Als seine Kräfte erlahmten und Roi in seinen Bemühungen nachließ, verließen sie ihre Passivstellung. Sie taten sich an den Narben seiner Finger gütlich und umkrabbelten das zerstörte Fleisch. Ihre Körper vibrierten. Als empfänden sie so etwas wie Lust, während sie die Narbe untersuchten.
Sie interessieren sich lediglich für die Wunde!, dachte Roi mit Erleichterung. Meine ... Geheimwaffe kümmert sie nicht.
Er hätte gerne gelächelt. Seine Gesichtszüge reagierten nicht. Die zuständigen Nerven unterlagen einer fast vollkommenen Blockade. Lediglich um einen Mundwinkel spürte er ein geringfügiges Zucken.
Die Heilkäfer sorgten sich indes um den Zeigefinger. Er konnte spüren, wie sie daran herumknabberten, Schorf und verkrustetes Blut entfernten und mit winzigen Nadeln Heilflüssigkeit injizierten. Nach geraumer Zeit zogen sie unglaublich dünne Fäden, die sie irgendwo in ihrem Körper lagern mussten, durch die Haut und vernähten die Wunde. Ein einzelner Käfer krabbelte über das Metallding in seiner Hand. Er stockte kurz, wohl ratlos wegen des ungewohnten Hindernisses, setzte aber dann seinen Weg fort, der ihn weg von der fertig versorgten Wunde führte.
Die Cyborg-Tierchen verteilten sich wieder an seinem Körper und kamen endgültig zur Ruhe. Sie würden ihn pflegen, solange es die Kolonnen-Anatomen für richtig befanden. Und wenn die Herrscher der Skapalm-Bark eines Tages meinten, dass er für nichts mehr zunutze sei, würden sie ihn wohl auffressen und entsorgen.
*
Die Verkrampfung, der Roi unterlag, half ihm in gewisser Weise. Seine Hand blieb über mehrere Schlaf- und Wachperioden hinweg gekrümmt. Der metallene Gegenstand, den er sich so mühselig erarbeitet hatte, lag fest darin.
Wie in Totenstarre verharrte er. Ab und zu, wenn die Versorgungsmaschinen der Meinung waren, dass sein in Nahezu-Stasis befindlicher Metabolismus eine geringfügige Veränderung erfahren musste, trieb er wie ein Stück Holz in der Flüssigkeit auf und nieder, um bald wieder zu bewegungsloser Ruhe zu finden.
Die Bestie war an ihren Platz zurückgeführt worden. Sie
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