2414 - Die Bestie Ganymed
Zuflucht, in deren Nähe er sich versteckt hielt. Nulls Ordinärhirn erfasste die Tatsache als „übermäßiges Pech".
Sein Gegner stürzte über gut und gern 20 Körperlängen herbei und krallte sich in einer Felsnadel fest.
Schaum stand vor seinem Mund, ein Bein war zum Stumpf verkommen. Er stieß gurgelnde, nichtbestische Laute aus, während er sich orientierte. Dann sah er sich um, nach allen Seiten ...
... und auch in die Höhe.
Er entdeckte Null, wie eine Spinne an der Decke klebend. Als Teil jenes kleinen Bereichs der Halle, der eine Höhlenlandschaft imitieren sollte.
Mit animalischem Gebrüll stieß er sich ab und sprang auf ihn zu.
*
Es wäre so einfach gewesen ...
In aller Ruhe hätte er abwarten können, bis die Säure seinen Gegner auffraß. Ohne eine Konfrontation zu suchen, wäre er aus diesem Zweikampf als Sieger hervorgegangen.
Das Planhirn allein war nichts, stellte Null nüchtern fest – und schaltete blitzschnell einen minimalen Zugang zum Ordinärhirn.
Improvisation!, schoss es ihm augenblicklich durch den Kopf. Und: Verwirrungstaktik! Das Ungewöhnliche tun, ein kalkuliertes Risiko suchen!
Noch bevor ihn der Riese erreichte, ließ er sich fallen. Er traf den Angreifer, warf ihn aus seiner Sprungparabel.
Gemeinsam krachten sie auf den Boden der Insel, wenige Handbreit neben den hochsteigenden Säurefluten. Null hatte schwer zu kämpfen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren und hinterrücks in das todbringende Gewässer zu stürzen. Er nutzte das Gewicht seines Gegners, zog sich an dessen Seitenarm in Sicherheit und umrundete ihn.
Sie hieben aufeinander ein. Schnell. Schneller. Wirbelten umher, trieben sich gegenseitig über die kleiner werdende Landinsel.
Säurewolken umwaberten sie. Der Boden löste sich unter ihren Beinen auf, machte aus fester Substanz eine rutschige Masse, die die Hornhaut ihrer nackten Füße augenblicklich angriff.
Höher, immer höher trieben sie sich.
Hin zur Seite, an deren Felsen sie sich zur Decke hochhangelten. Unter ihnen wogte das Säuremeer. Unruhig platschten Wellen gegeneinander, tasteten gierig nach ihnen.
Das Ende des künstlichen HöhlenÜberbaus war erreicht. Eine fingerdicke Felsschicht war das Einzige, an dem sie sich noch festkrallen konnten, während sie in verzweifelten Attacken gegeneinander traten und schlugen.
Wie Ameisen krabbelten sie über die Decke, ineinander verknäult.
Du musst ihm mehr Schmerz zufügen als er dir!, sagte sich Null.
Er trat dem Riesen gegen den Beinstumpf. Einmal. Zweimal. Mehrmals.
Immer wieder. Ihrer beider Kampfschreie klangen ohrenbetäubend laut im wenigen zur Verfügung stehenden Raum.
Die Attacken des gegnerischen Riesen wurden schwächer, unkonzentrierter. Ihm fehlte wohl jenes Quäntchen an Kraft, das er während der hektischen Suche nach Null geopfert hatte.
Und plötzlich endeten seine Attacken. Für einen Moment hingen sie sich gegenüber, dicht an die Felsdecke gepresst, Auge an Auge. Stille trat ein.
Der Riese sagte leise: „Ich verliere.
Du überlebst."
Er schloss ein Auge nach dem anderen, murmelte ein paar wie gereimt klingende Worte einer ihm unbekannten Sprache, entspannte seinen Körper – und ließ sich in den Säureozean fallen.
Null war allein.
*
Konzig Asmo hielt Wort und ließ ihn am Leben. Er ignorierte Nulls wüste Flüche und Verwünschungen und hatte lediglich ein gehässiges Lachen für ihn übrig. In diesen Augenblicken hätte Null den Tod mit offenen Armen empfangen. Er hatte all seine Artgenossen töten müssen, um selbst zu überleben.
Wie grausam, wie gefühllos konnte ein Lebewesen denn sein, dass es Derartiges zuließ, ja sogar noch förderte?
Null schraubte die Anteile seines Ordinärhirns an seinen Denkprozessen zurück. Sofort erschien ihm die Welt nüchterner und klarer, während er nach außen hin weiterhin vor sich hin tobte. Es schadete nichts, wenn er überbordend emotionell erschien und dem Anatomen weitere Rätsel aufgab.
Solange Konzig Asmo ihn nicht richtig einschätzen und seine Reaktionen nicht bemessen konnte, würde er am Leben bleiben – und auf eine Chance warten dürfen, sich für alles, was man ihm angetan hatte, zu rächen.
Nachdem die Säure abgeronnen war, packte man ihn einmal mehr in einen Energieschirm. Roboter transportierten ihn mit Zugstrahlern ab, zurück in seinen Tank. Konzig Asmo blieb in seiner Nähe. Seine Kieferplatte hatte sich weiter gelockert. Er schien sardonisch zu grinsen, und sein
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