243 - Das namenlose Grauen
keifenden Stimme unterbrochen, die zuerst wie die einer Frau klang, sich dann aber als Bruder Faiths Organ entpuppte. Er wetterte lautstark über »die ungeheure Blasphemie, die Tempelresidenz der Rev’rends mutwillig zu beschädigen«.
Honeybutt sah näher hin: Zwei Bagger waren gerade dabei, drei der Eingänge in der untersten Front des Gebäudes zu einem einzigen von acht Metern Breite zu erweitern.
Sigur Bosh stöhnte auf. »Wenn du Beschwerde einlegen willst: gern!«, brüllte er zu dem Novizen hinüber. »Am Montagmorgen im Büro des Hohen Richters! Und jetzt hältst du die Klappe und lässt die Männer ihre Arbeit tun! Uns rennt die Zeit davon!«
Honeybutt strahlte ihn an. »Wenn ihr zusätzliche Hilfe braucht – Yanna und ich stellen uns gern zur Verfügung!«
Sigur Bosh sah aus, als wollte er sich in die eigene Faust beißen. Er packte Honeybutt an den Schultern und drehte sie nach Osten. »Dort geht es zum Tor, Schatz, du kannst es gar nicht verfehlen.« Und er fügte ein geradezu flehentliches »Bitte!« hinzu.
Kareen nahm ihre Freundin beim Arm und zog sie weiter. »Alles okee, Sigur.« Sie bedachte den blonden Britanier mit einem Lächeln. »Ich kümmere mich um sie.« Und an Honeybutts Adresse raunte sie: »Komm mit! Keine Zicken jetzt, oder er explodiert!«
Sigur Bosh blieb zurück, die Hände zu Fäusten geballt. Ein paar Sekunden nur, dann wandte er sich wieder dem Gebäude zu. Er hatte einen wichtigen Job zu erledigen. Die Zukunft Waashtons hing davon ab…
***
Bürgermeister Stock ging mit festen Schritten auf den Soldaten zu, der das provisorische Sprengstofflager in der Ruine nahe dem Ford-Theater bewachte. Er hatte ein Fuhrwerk mit zwei Eseln dabei, das keine fünf Meter hinter ihm neben einem Baum stand.
Man hatte sich nicht ohne Grund entschieden, den gestern in aller Eile aus den Gruben entfernten Sprengstoff hier zu lagern. Die leere Ruine besaß einen intakten Keller mit dicken Wänden. Wenn das Material versehentlich zündete, würde nur das Haus über ihm zusammenstürzen. Dennoch war der gesamte Bereich abgesperrt worden.
»Bürgermeister Stock.« Der Wache schiebende Soldat grüßte lässig. »Was gibt es Neues von der Front? Ist es bald so weit? Wenn man hier herumsteht, bekommt man gar nichts mit.«
»Ja, Ronny, das Wesen ist im Anmarsch, und Mr. Black braucht jetzt am Ford-Theater jeden kampfbereiten, kräftigen Mann. Deshalb hat er mich geschickt, damit ich dich ablöse.«
Der Soldat sah ihn skeptisch an, wiegte den Kopf und nestelte an seiner Uniform. »Dafür brauche ich eigentlich einen Befehl von General Garrett.«
»Der ist momentan unabkömmlich, und wir haben eine Ausnahmesituation, Ronny!«, sagte Stock. »Black hätte mir auch gern einen schriftlichen Befehl mitgegeben, hatte aber verständlicherweise die Formulare gerade nicht zur Hand. Also komm schon. Willst du hier versauern oder dich nützlich machen? Deine Kameraden brauchen dich!«
Das gab den Ausschlag. Ronny Jeeps Gestalt straffte sich. »Wenn Sie als Bürgermeister das sagen, wird es ja wohl in Ordnung sein…«
»So ist es! Also verlier keine Zeit und leiste deinen Beitrag!«
»Sie halten hier die Stellung, Stock?«, hakte Ronny noch einmal nach. »Der Posten darf nicht unbesetzt bleiben!«
»Wofür hältst du mich? Für einen Pulverdieb?« Stock scheuchte in mit den Händen fort. »Na los, beeil dich!«
»Ich komm zurück, wenn das Ding unschädlich gemacht ist.« Damit lief Ronny mit weiten Sätzen zwischen den Ruinen hindurch in Richtung Ford-Theater.
»Braver Junge«, murmelte Stock. Er pfiff nach dem Esel, der träge näher trottete. Jetzt musste er sich beeilen! Mit grimmigem Zorn machte er sich daran, den Sprengstoff aus dem Ruinenkeller zu holen und ihn auf sein Gefährt zu laden.
***
Trashcan Kid war am Ende seiner Kräfte. Über eine Stunde lang hatten sie Orguudoos Rotz durch die verlassenen Straßen von Waashton gelockt. Trashcan hatte sich zwischenzeitlich von Shiro und Takeo tragen lassen, um sich auszuruhen.
Kurz vor dem Ziel hatte Shiro einen Sprint eingelegt und somit hundert Meter Vorsprung vor der gallertartigen Masse gewonnen. Breitbeinig stand Trashcan Kid nun vor dem breiten Durchbruch in der Front des Theaters. Die Stadtbewohner und Soldaten hatten sich so weit wie möglich zurückgezogen, damit das Ding auch wirklich Trashcan folgte und ins Innere des Theaters eindrang. Die gut hundert Menschen beobachteten aus ihren Verstecken jeden seiner Schritte. Sie alle
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