2456 - Akademie der Mikro-Bestien
hin?"
„Komm, ich zeige es dir."
Plötzlich hatte Senego es eilig, dem Terraner in den Korridor zu folgen.
Sie benutzten mehrere Antigravs mit Sicherheitsschleusen, ein deutliches Zeichen, dass es in die wichtigsten Sektionen der Solaren Residenz ging.
Danton brachte ihn nach oben bis in eine riesige Halle, die der Terraner als Nebenzentrale bezeichnete. Mehrere Bildschirme leuchteten auf und zeigten Schiffe und Plattformen, die Container und Gebäude abluden und auf einer von grellem Scheinwerferlicht erhellten Oberfläche verankerten.
Andere Fahrzeuge brachten Verbindungstunnel und Maschinen, die Trainz für Schirmprojektoren hielt.
„Ihr baut eine neue Stadt."
„Es ist eure Stadt. Und sie dient nicht nur zum Wohnen. Ihr sollt dort auch lernen und euch in der Umgebung austoben können. Es ist ein Areal von 106 Kilometern Durchmesser, das ihr ganz für euch allein habt."
Senego Trainz konnte sich noch keine genaue Vorstellung von den terranischen Längenmaßen machen. „Ist es fast so groß wie die Region auf Aureuth Zehn, in der wir uns bewegten?"
„Zehnmal so groß."
Der Anführer der Mikro-Bestien erstarrte. Er versuchte es sich vorzustellen, aber es gelang ihm nicht. Sein Horizont hatte sich zu lange auf wenige Etagen und Sektoren der Skapalm-Bark erstreckt. Schon der Wald auf Aureuth X war ihm riesig und unüberwindlich vorgekommen.
„Es ist ungefähr die doppelte Strecke vom Terrania Space Port bis hierher", versuchte Danton es ihm zu erklären.
„Wo genau liegt dieses Land? Und wie heißt diese Lernstadt?"
Danton lachte leise. „Den Namen müsst ihr euch selbst ausdenken. Es ist eure Stadt. Komm mit!"
Nebeneinander gingen sie durch eine Tür und einen durchsichtigen Korridor zur Außenwand des Zentralkörpers. Hinter der Schleuse ragte eine kleine Plattform in den Abgrund hinaus, höchstens dreißig Schritte lang und ebenso breit. Danton deutete nach oben, und Senego Trainz folgte mit dem mittleren Auge seinem ausgestreckten Arm. Am tiefblauen Himmel hing eine schmale, weißgraue, sichelförmige Scheibe mit einer seltsamen Maserung.
„Es ist der Trabant", erkannte der Anführer der Mikro-Bestien. „Luna!"
„Ja. Euer Mond!"
Die schlichten Worte der Zustimmung beeindruckten Senego Trainz zutiefst. Er spürte, dass es nicht darum ging, die Geschöpfe der Kolonnen-Anatomen abzusondern und an einen Ort zu bringen, wo sie keinen Schaden anrichten konnten.
„Ihr gebt uns Freiheit, weil wir Freiheit brauchen. Ihr nehmt die Schäden und Zerstörungen in Kauf."
„Ja!"
Aus den Daten mehrerer Info-Terminals wusste Trainz, dass der Mond alles andere als leer oder unbesiedelt war. Es gab ausgedehnte Industriekomplexe und Siedlungen dort, die sich über weite Landstriche erstreckten. Luna City hieß die größte. Auch NATHAN, die gewaltigste Steuer- und Rechenmaschine des Solsystems, war auf dem Mond untergebracht.
„Es wird keine gewöhnliche Stadt wie Terrania oder Beijing sein", sagte er leise, fast andächtig. „Es wird eine Stadt sein, in der wir zwar wohnen, vor allem aber lernen und forschen. In Terrania nennt ihr das Akademie. Ich werde bei der ersten Versammlung aller Lehrlinge diesen Namen vorschlagen."
„Es ist ein guter Name."
Eine Weile standen sie einfach nur da und blickten zu der Mondsichel empor. Trainz spürte, dass dieses Wesen Roi Danton es gut mit ihnen meinte und sie nicht unter einem Vorwand nach Terra gelockt hatte. Im Heimatsystem der Menschheit machten sie keinen Unterschied zwischen einem Einheimischen und einem Besucher aus der Ferne, zwischen einem natürlich entstandenen und einem Retortenwesen.
Als Roi Danton sich umwandte und wieder hinein ging, stand Trainz noch immer an der Stelle und hing seinen Gedanken nach.
Verantwortung übernehmen, für sich und andere, daran führte kein Weg mehr vorbei. Sie mussten selbst entscheiden, was sie tun wollten. Und sie würden Fragen stellen, viele Fragen, und hoffen, dass sich jemand die Zeit nahm, diese Fragen zu beantworten.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl, das Trainz kaum in Worte fassen konnte. Am liebsten wäre er vor lauter Übermut in die Tiefe gesprungen, aber er beherrschte sich noch rechtzeitig.
„Wir sollten die Mikro-Bestien im TLD-Tower nicht länger warten lassen", erklang Dantons Stimme von drinnen.
„Ich komme!"
So schnell seine Beine ihn trugen, stürmte er durch die Schleuse. Drinnen fielen ihm die zahllosen Grünpflanzen auf, die er zuvor gar nicht beachtet hatte. Sie wucherten über
Weitere Kostenlose Bücher