2458 - Der zweite Dantyren
Mikro-Bestien und er hatten sich in Marsch gesetzt, sobald die Peilung der Sonde angezeigt hatte, dass Dantyrens in der Pyramidenspitze geparkter Gleiter seine Position veränderte. Das Ablenkungsmanöver schien aufgegangen zu sein; die Maschine nahm Kurs auf die nächstgelegene Abbaustätte.
Mit Roi als vergleichsweise riesigem Klotz am Bein konnten sich Senego Trainz und sein Team nicht annähernd so schnell bewegen wie bei ihrem ersten Eindringen in den Stützpunkt. Zudem schränkte die Kokonmaske seine Gelenkigkeit erheblich ein.
Obwohl der Kontrollraum unterhalb des Observatoriums dicht mit Mor’Daer besetzt war, durchquerten sie ihn ohne größere Probleme, knapp unter der Decke schwebend. Nur an einer Tür kam es zu einer kniffligen Situation.
Roi musste im letzten Moment zwei entgegenkommenden Ganschkaren ausweichen. Er schaffte es gerade noch, sich zur Seite zu werfen und gleich wieder innezuhalten, um die Formation der sechs Mikro-Bestien nicht so weit auseinanderzuziehen, dass das Dunkelfeld destabilisiert wurde.
„Puh!", stieß er aus, als sie endlich die leere Audienzhalle erreicht hatten.
Er lockerte die Arretierung der Kokonmaske, die ihn permanent zu unnatürlich verbogener Haltung zwang, und gönnte sich einige Minuten Verschnaufpause, in denen er seine Glieder ausschüttelte.
Dann weiter, durchs erste, unbewachte Schleusenschott. Die Abwesenheit der Leibwächter, die sich hier laut Senegos Bericht beim letzten Mal postiert hatten, war ein weiteres Indiz dafür, dass sich der Duale Kapitän nicht in seinen Privatgemächern befand.
Gut so. Vorläufig reicht ein Dantyren vollkommen aus.
Auf der steilen Rampe war Roi nicht unfroh, dass ihn Doray Celvius und drei seiner Kameraden trugen. Allein wäre er wohl ausgeglitten. Fliegen in dem niedrigen Schlauch hätte ebenfalls mit einem Desaster geendet.
Schließlich standen sie vor dem zweiten Schott und der energetischen Barriere. Seufzend schloss Roi die Kokonmaske und gab den Mikro-Bestien mit erhobenem Daumen das Zeichen, dass er bereit war.
Sie entfernten sich von ihm, zogen sich so weit auf die Rampe zurück, dass ihn ihre Dunkelfelder nicht mehr einhüllten. Er wurde sichtbar.
Jetzt galt es. Roi legte die linke Hand über den auf der schlanken Stele angebrachten Sensor, der seine Körperschwingungen erfasste.
Aller Voraussicht nach sollten diese identisch sein mit jenen der menschlichen Komponente des Duals. Denn originaler als Danton höchstpersönlich ging es nicht, oder?
Der Energie-Vorhang erlosch. Zugleich öffnete sich das Schott dahinter.
Roi atmete auf.
Er tippte sich an die linke Schläfe, um sich vorläufig von den Mikro-Bestien zu verabschieden. Sie hatten ihn tadellos hierhergeleitet, aber das Risiko, dass die Barriere auch auf Dunkelfelder reagierte, durften sie nicht eingehen.
Roi Danton durchschritt die Schleuse und betrat die Unterkunft des Dualen Kapitäns.
*
Karg eingerichtet war der Raum, bar jeder persönlicher Gegenstände. Warum sollte ein Kunstwesen, eine Kreatur, die voll ausgewachsen in einem Genetischen Magazin zum Leben erwacht war, auch Erinnerungsstücke aufbewahren?
Woran denn? An Kolonnen-Anatomen, die an seinem Leib, seinen Leibern herumschnipselten?
Welch traurige Existenz, welche Perversion der chirurgischen Wissenschaft!
Roi hatte einen Teil der Empfindungen des ersten Dantyrens mitverfolgt.
Als er im Biostasis-Tresor der DERUFUS gefangen gehalten worden war, hatte zwischen ihm und dem werdenden Dual, abgesehen von Phasen der Bewusstlosigkeit, eine einseitige mentale Rückkopplung bestanden.
Er kniff die Lippen zusammen und ermahnte sich, nicht an den Horror der Skapalm-Bark zu denken, sondern sich auf seinen Plan zu konzentrieren.
Etwa eine Stunde lang sollten Bertram und Atabinmek bei der Schürfstätte Dantyren hinhalten, damit Roi sich in dessen Quartier umsehen, ein Versteck suchen und auf die Lauer legen konnte.
Dann würde er den Dual aus dem Hinterhalt heraus paralysieren, ihn unkenntlich verpacken und das Paket gemeinsam mit den Mikro-Bestien in aller Offenheit zu ihrem Traitank schaffen. Sobald er Dantyren auf dessen Position ersetzt hatte, würde er als Dualer Kapitän auftreten, befehlen und agieren können, wie es ihm beliebte.
Die Abläufe innerhalb der Terminalen Kolonne kannte er aus leidvoller Erfahrung gut genug, dass ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Fehler unterlief. Und nachdem, wie er den zweiten Dantyren erlebt hatte, würde es keiner der Untergebenen
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