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248 - Entfesselte Gewalten

248 - Entfesselte Gewalten

Titel: 248 - Entfesselte Gewalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Waldwilden. »Kämpfen gegen Pilzfeinde«, erklärte er, »vor allem gegen Feuer und Feuermacher.«
    Der Mann aus Euree drehte sich um und betrachtete die stumme Wand des Pilzorganismus. An manchen Stellen bildeten sich Wölbungen auf seiner Oberfläche, an anderen sanken Dellen ein. Das Pilzmonster schien unablässig in Bewegung zu sein. Wie ein unheimliches Tier kam Rulfan die wallartige Wucherung vor. »Deswegen der Überfall«, flüsterte Lay. »Deswegen haben sie das Feuer ausgetreten…«
    Rulfan dämmerte es langsam, dass er den Pilz unterschätzt hatte in seiner Gefährlichkeit. Wenn er von den Eingeborenen verehrt wurde, wenn sie für ihn jedes Feuer bekämpften, und wenn er sie tatsächlich mental beeinflusste, damit sie in seinem Sinne handelten – dann war dieser unglaubliche Organismus eine tödliche Gefahr. Und nicht nur für ihn und seine Gefährten, sondern für alle Lebewesen auf der Erde!
    »Er benutzt sie, um Feuer zu bekämpfen und alles, was ihn bedroht.« Lays Gesichtshaut hatte jetzt die Farbe dunkler Asche, ihre Unterlippe bebte.
    »Frag sie, wie sie darauf kommen, den Pilz als Gott zu verehren und ihm zu dienen«, forderte Rulfan den Zilverbak auf.
    Zarr übersetzte. Eine Gasse öffnete sich in der Menge der Waldwilden und ein alter Mann trat vor. Statt mit Erde war er mit Blut beschmiert. Wie einen Turban hatte er sich Lianen um den Schädel gewunden. Pflanzenfasern und Blätter hingen ihm ins verwitterte Gesicht. Mit krächzender Stimme begann er auf Zarr einzureden. Als er endete, wandte der Gorillamutant sich an seine Gefährten. »Schamane«, knurrte er mit bösem Blick auf den Alten. »Redet Unsinn.«
    »Übersetz mir den Unsinn«, forderte Rulfan.
    Widerwillig tat Zarr, was der weiße Mann von ihm verlangte. Rulfan und Lay erfuhren so von einer alten Prophezeiung, als deren Erfüllung das Wildvolk das so plötzlich einsetzende und so rasant fortschreitende Wachstum der Pilzfelder betrachtete. Wenn dergleichen geschähe, so die alte Weissagung, dann würde ein Zeitalter zu Ende gehen und ein neues anbrechen. Jedes Wort des Gorillamutanten quittierte der blutverschmierte Schamane mit einem Nicken, gerade so, als würde er alles verstehen.
    Rulfan erinnert sich plötzlich an die Priesterin der Enkaari. Hatte sie nicht Weissagungen ausgesprochen, die ganz ähnlich geklungen hatten? »Schamane brabbelt von Kaiser«, schloss Zarr seine Übersetzung.
    »Vom Kaiser der Wolkenstädte?« Rulfan horchte auf. »Von de Rozier?«
    »No. Kaiser von neuem Zeitalter. Kennt ihn.«
    »Wo soll er denn leben, dieser angebliche Kaiser?« Die Sache wurde immer mysteriöser.
    »Hier. In Dorf. Geburt noch nicht lange her.«
    »Ich will ihn sehen«, sagte Rulfan heiser. Fiebrige Erregung ergriff ihn plötzlich.
    Zarr übersetzte seinen Wunsch dem Schamanen. Der wandte sich schweigend ab, schlurfte zu einer der Hütten und verschwand darin.
    »Jetzt bin ich gespannt«, flüsterte Lay. Alle drei äugten sie hinüber zum Hütteneingang, alle drei erwarteten, den Schamanen mit einem schwarzen Säugling auf dem Arm wieder heraustreten zu sehen. Stattdessen folgte ihm eine bleiche, eigenartig konturlose Gestalt, als er die Hütte verließ und zu den drei Gefährten zurückkehrte.
    Chira knurrte, Zarr stieß ein Brummen aus und Lay einen unterdrückten Schrei; und Rulfan stockte der Atem. Ein Pilzphantom war es, das den Schamanen begleitete, weiß-grau, irgendwie schlaff und mit ausdrucksloser menschlicher Miene. Und als er drei Schritte vor Rulfan stehen blieb, klopfte dem das Herz in der Kehle.
    Das Phantom hatte unverwechselbare Gesichtszüge – Daa'tans Gesichtszüge. Auch wenn sie ihm älter erschienen.
    »Neugeborener Kaiser vom neuen Zeitalter«, übersetzte Zarr ein paar Worte, die der Schamane ausstieß.
    Unwillkürlich wich Rulfan vor dem Abbild Daa'tans zurück. »Wir müssen so schnell wie möglich nach Wimereux-à-l'Hauteur«, murmelte er. »Wir müssen de Rozier warnen, unbedingt…« Er wusste kaum, was er sagte, so geschockt war er.
    Die Wilden begannen einen Kreis um die drei Gefährten und Chira zu schließen. Der Schamane brüllte irgendetwas. »Was sagt er?«, zischte Rulfan. Chira begann wütend zu kläffen.
    »Hat seinen Leuten gesagt, sie sollen uns nicht gehen lassen«, knurrte Zarr. »Pilzkaiser will unseren Tod.«
    Rulfan war, als würde man ihm eine schwarze Binde von den Augen ziehen: Deswegen war der Kampf so kurz gewesen, deswegen hatten die Waldwilden Lay verschleppt. Von Anfang an

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