2490 - Die dunklen Gärten
machen«, riet sie ihm.
»Nicht ohne dich.«
»Mein Held«, sagte sie und strich über ihren Bauch.
Nachtwolken zogen auf, sie glitzerten metallisch im Licht von Chont, rosa und rot. Sie sahen aus, als müssten sie bald abschneien. Früher hatten die Wolkenbildner sie in Form gebracht, hatten sie in Gestalt wunderbarer Bilder und Kalligrafien durch die Nacht ziehen lassen.
Nun wirkten die Nachtwolken formlos und zerfahren. Sie zerschleierten, lösten sich auf.
Wie unsere ganze Welt sich auflöst.
Trou-Hasg-Borou riss sie aus ihren meteorologischen Betrachtungen. »Ich habe wieder eine Nachricht dieser Vyn-Pao-Paz empfangen. Du erinnerst dich?«
»Nein«, log Wiia-Na-Daj. »Eine Adjutantin von Log-Aer-M'in. Der Oberkommandierenden der Vibra-Staffel.«
»Die Monster-Direktrice und ihre Gehilfin. Oh ja. Du hast sie mal erwähnt.«
»Du bist kein Monster«, sagte Trou.
»Sagt wer?«
»Sagt die Adjutantin der Monster-Direktrice. Sie möchte immer noch, dass ich dich hier herausbringe. Zur Ultima-Flotte. Sie wird nicht hierhin zurückkommen. Das System wird ihr zu gefährlich. Uns auch.«
Wiia-Na-Daj antwortete nicht.
»Wiia? Ich müsste wirklich langsam starten.«
»Tu das.«
»Ganz Khyasou wird untergehen.«
Die Kartanin lachte leise. Ganz Khyasou? Ganz Hangay wird untergehen. Dazu allein haben unsere Ahninnen Hangay aus Tarkan hierhin versetzt: um sie den Chaotarchen vorzuwerfen. Nicht einmal tausend Jahre ...
Der Mond glühte hinter den Wolken. Wiia-Na-Daj wusste, dass Chont die Schwarzen Männer verrückt machen würde. Dass sie nach Frauen schrien in den Schattenwäldern.
Wie damals ...
Wiia-Na-Daj meinte sie zu hören. Sie konnte ihre Ohren verstopfen, womit sie wollte. Sie hörte ihre Schreie dennoch. Sie meinte, aus dem fernen, unhörbaren Gebrüll seine Stimme herauszuhören, in ihren Träumen klarer als im Wachen: Wiia-Na-Daj! Wiia-Na-Daj! Du schuldest mir ...
»Wiia?«
Sie musste aufgestöhnt haben. »Es ist nichts. Ich singe nur eine Kriegshymne mit. Arry-Ar-Rya, die Heldin von Ghuya, du weißt schon.«
»Die Holovid-Heldin, ja. Geh nicht wieder in die Schattenwälder«, sagte Trou.
»Hör auf, meine Gedanken zu lesen, alter Mann.«
Er kicherte. »Schwer, von eingefleischten Gewohnheiten zu lassen.«
Sie lachte auf, für einen Moment fröhlich. »Lass mich jetzt die Heldin schauen. Es wird gerade spannend.«
»Die ANVU-3 steht bereit«, sagte Trou. »Sie wartet auf dich. Aber nicht mehr lange.«
»Danke!«, sagte sie. Er blieb stumm. Sie fragte: »Wie lange noch?«
»Schwer zu sagen. Die ganze Natur ist aus den Fugen. Das System ... Ich schätze, noch drei, vier Tage, dann komme ich nicht mehr hinaus.«
Sie winkte kurz mit der Hand. »Viel Zeit also noch. Gut. Bis dann.« Sie unterbrach die Verbindung.
Drei, vier Tage. In vier Tagen wären die Tage von Chont vorbei.
In drei, vier Tagen konnte sich die Katastrophe vollendet haben. Wie lange war es her, dass die Astrophysiker des Systems Alarm geschlagen hatten? Dass sie ganz in der Nähe, wenige Lichtminuten von Khyasous Licht entfernt, die drei Protochaotischen Zellen entdeckt und ihr explosives Wachstum registriert hatten?
Fünf Monate? Sechs? Wenige Tage nach dem Narna-Massaker, nach der Abschlachtung der Diplomaten und politischen Eliten, des Kaisers von Karapon.
Der Rat des Systems hatte ein wissenschaftliches Forschungsteam zusammengestellt und in die Nähe des Proto-chaotischen Zellendrillings geschickt. Das Ergebnis war niederschmetternd, unglaublich: Der Raumsektor in einem
Wirkungskegel des Zellendrillings senkte sich, versank in der Raumzeit.
Was?, hatte Wiia-Na-Daj gedacht, als sie die Meldungen hörte, die Regierungserklärung des Wissenschaftlichen Rates. Was soll das heißen?
Es bedeutete offenbar, dass ein Raumsektor, der den gesamten Bereich des Systems umfasste, die Sonne Khyasous Licht und ihre sieben Planeten, Veränderungen unterworfen war, die sich mit den Gesetzen der Physik nicht erklären ließen.
Jedenfalls nicht mit den Gesetzen der bisherigen Physik, die gegolten hatten, bevor TRAITOR ans Werk gegangen war. Bevor die Welt aus den Fugen geraten ist.
Das System versank - das hieß: Die Distanz zu sämtlichen extrasystemalen Orten nahm rapide zu. Es war, als entfernte sich das System gleichmäßig, aber mit wachsender Beschleunigung von allen andere Regionen des Universums. Zum Ophem-System mit dem von Hauri besiedelten Planeten Ophemoi, das mit bislang 0,7 Lichtjahren der nächste aller
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