25 - Ardistan und Dschinnistan II
hinauf. Wir andern schließen uns ihnen von beiden Seiten an. Man untersucht den Weg genau, damit euch nichts geschehe, wenn ihr kommt. Denn was euch dort erwartet, ist nun für starke Herzen und für unerschütterliche Nerven. Ein Schuß wird euch melden, daß ihr kommen könnt.“
„Was für ein Schuß?“ fragte der Schech.
„Mit der einzigen Kanone, die man bisher gefunden hat. Die andern sind alle verschwunden. Nur sie allein blieb übrig und wurde nicht mit zerschmettert.“
„So komme zunächst nur ich. Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef begleiten mich. Die andern bleiben hier, bis der Zug der ‚Barmherzigen‘ angekommen ist, und folgen uns dann, um am Fuß des Dschebel Allah zu lagern. Sollte der ‚Panther‘ wirklich entkommen sein, so ist ihm das nur als eine Gnadenfrist gegeben. Läßt er diese vorübergehen, so gibt es dann kein Erbarmen.“
„Bisher war dieses Erbarmen wohl möglich gewesen?“ fragte der Basch Islami.
„Ja. Nämlich wenn er die Schlacht, die er uns verkündete, wirklich geschlagen hätte, doch nicht die Schlacht gegen uns, sondern die Schlacht gegen sich selbst und die dunklen Scharen seines Innern! Als er kam, um mit uns zu verhandeln, sah er alle, die er verderben wollte, sich gegenüberstehen. In diesem Augenblick mußte er tief, tief in sich gehen, mußte die Abgründe seines Wesens erkennen und sich selbst bei Brust und Gurgel fassen, um sich niederzuringen. Dann hätte er als Sieger über sich selbst auf unsere Verzeihung rechnen können. Aber es fiel ihm nicht ein, die Hand an sich selbst zu legen. Er war zu verblendet und zu feig dazu. So kehrte er denn, als er uns verließ, in sein eigenes Verderben zurück.“
Wir standen mit dem Gesicht nach dem Dschebel Allah gewandt. Da sahen wir, daß sich am Fuß des ‚Sohnes‘ ein kleines Wölkchen zeigte, um wieder zu verfließen. Eine Detonation folgte.
„Der Schuß, von dem ich sprach“, bedeutete uns der El Hadd. „Nach diesem Schuß wird auch diese letzte Kanone in die Tiefe hinabgestürzt. Es soll keine übrig bleiben, keine einzige. Es soll kein derartiges Mordwerkzeug drüben in El Hadd und Dschinnistan zu sehen sein!“
Als das Rauchwölkchen sich verflogen hatte, wurden da drüben, wo der Kegel des ‚Sohnes‘ aus dem Fundamente des ‚Dschebel‘ stieg, drei weiße Linien sichtbar, die sich zusammenzogen. Zu gleicher Zeit zuckte es im Osten leuchtend auf. Die Sonne erschien. Sie erschien nicht nach und nach, sondern sie stand gleich mit einem Mal über dem Horizonte. Nun lagen nicht nur die Kuppen und Spitzen im Morgenrot, sondern das Rot verwandelte sich in flüssiges, ganz plötzlich wie vom Himmel niedersinkendes Gold, und das ganze Gebirge und die ganze um uns sichtbare Welt stand in hellem, glücklichem Tagessonnenlichte. Als dieses Licht auf den Dschebel Allah fiel, wurden die weißen Linien so deutlich, daß wir ihre Einzelheiten erkennen konnten. Es waren die drei Abteilungen der Truppen, die uns zu Hilfe gekommen waren. In der Mitte die ‚Schwarzgepanzerten‘ von Dschinnistan, links, von uns aus gerechnet, die Lanzenreiter von El Hadd, und rechts die blauen Schwadronen von Halihm. Die Spitzen ihrer Lanzen funkelten. Ihre Helme warfen blitzende Strahlen zurück. Rechts und links von den Linien ihrer weißen Pferde und ihrer weißen Mäntel sahen wir heißes Wasser aus dem Felsen dringen und sich in dampfenden Kaskaden in die Tiefe stürzen. Und unten, am Fuß des Bergstocks, fiel, mehrere Stockwerke hoch, ein lebendig gewordenes Flüßchen nieder, welches sich in zahlreichen, ungewissen Windungen erging, um den Weg zu suchen und zu finden, der ihm durch seine eigene Schwere vorgeschrieben war. Bei diesem Anblick zog es mich hinüber nach dem Berg. Dieselbe Faust, die während der Nacht dort strafte, sie hatte sich jetzt, am liebenden Morgen, geöffnet, um zu helfen, zu retten, zu erlösen. Ich übergab Smihk, der nicht von mir weichen wollte, dem Ussul und schwang mich auf meinen Syrr. Halef, der Ungeduldige, war schon aufgestiegen. Der Schech el Beled tat dasselbe. Mit der Hand erst nach der Sonne und dann nach dem Dschebel Allah deutend, rief er uns beiden zu:
„Vorwärts! Das ist der neue Tag! Und das ist die neue Zeit! Die Berge geben wieder Wasser; die Wüste wird wieder Land, und der Friede naht aus weitgeöffneten Toren! Wir reiten ihm entgegen!“
Er trieb sein Pferd vorwärts. Wir folgten ihm, erst im Schritt, dann im Trab und hierauf im fliegenden Galopp.
ACHTES KAPITEL
Nach der
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