25 - Ardistan und Dschinnistan II
melden?“
Irahd, der speziell die Ussul befehligte, brachte einen zweiten Ussul, der soeben von der Hauptstadt her bei dem Heer eingetroffen und so schnell geritten war, daß sein Gaul in der Kühle des Morgens dampfte. Dieser Mann wandte sich an den Dschirbani, rief aber, als er Smihk, den Dicken sah, lachend aus:
„Da ist er ja, der Schreihals, der Spektakelmacher, der Ausreißer! Er muß in schnurgerader Linie und in einem einzigen, ununterbrochenen Galopp hierhergerannt sein, denn ich bin nach seinem Verschwinden sogleich auch von Amihn und Taldscha fort.“
„Von Amihn und Taldscha?“ fragte der Dschirbani. „So sind sie also unterwegs, sind in der Nähe?“
„Ja. Sie treffen in einer halben Stunden mit dem ganzen Zug hier ein. Ich wurde vorausgeschickt, euch dies zu sagen.“
„Mit dem ganzen Zug? Was ist das für ein Zug?“
„Die Schar der Pfleger und der Pflegerinnen, welche der Basch Nasrani, der Oberpriester der Christen, euch sendet.“
„Wie sonderbar! Und doch wie willkommen, willkommen! Aber wir wußten nichts davon. Wir ordneten es nicht an. Wie kam er auf diesen Gedanken?“
„Er läßt dir sagen, infolge eines Gesprächs mit Merhameh, der Prinzessin von Halihm, sei diese Idee in ihm erwacht, und er habe sie ausgeführt, ohne euch mit der Sorge und den Vorarbeiten zu belästigen. Er bittet durch mich, ihm das zu verzeihen.“
„Das tun wir gern, sehr gern! Aber Amihn und Taldscha sind dabei. Wie kamen sie nach Ard? Und warum?“
„Sie erfuhren durch die Postenlinie, daß ihre beiden Söhne von dem ‚Panther‘ nach der ‚Stadt der Toten‘ gelockt worden seien, um mit dem Mir von Ardistan, dem Dschirbani, Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef und dem ganzen Heer dort elend zu verschmachten und zu sterben. Sie wurden durch die Angst von daheim fortgetrieben. Sie eilten, so schnell es ging, nach Ard. Dort erfuhren sie zu ihrer Freude, daß die dem Tod Geweihten nicht nur gerettet, sondern auch schon ausgezogen seien, die Aufrührer und Mörder zu verfolgen und zu bestrafen. Sie schlossen sich sofort dem von dem Oberpriester gebildeten Zuge der ‚Barmherzigkeit‘ an, der soeben im Begriff stand, dem Heer auf schnellen Maultieren nachzufolgen. Sie bekamen von Etappe zu Etappe stets guten Bericht. Gegen Abend hofften sie, euch einzuholen. Aber als sie euch so nahe wäre, daß die Entfernung kaum noch eine Stunde betrug, sahen wir die entsetzliche Katastrophe nahen, die sich hier vollzogen hat, und mußten Lager machen. Nicht das Erdbeben erschreckte unsere Pferde, sondern das Geschrei der Maultiere regte sie auf. Besonders Smihk wurde wütend. Er begann schließlich mitzuschreien, und als ihm das keine Ruhe brachte, rannte er einfach fort, wohin, das sehe ich jetzt.“
„Man wird ihn suchen?“
„O nein. Wir kennen ihn. Der findet sich ganz von selbst zurecht und fühlt sich hier bei seinem ganz besonderen Liebling recht wohl.“
Man lachte. Denn der Dicke rieb seinen Kopf bald an meiner rechten, bald an meiner linken Schulter und schnüffelte und leckte an mir herum, als ob ich die größte Delikatesse sei, die es für ihn geben könne. Der Bote wollte in seinem Bericht fortfahren, da aber nahte sich von Nordwesten her ein zweiter Reiter, der direkt von dem dort beginnenden Saumpfad kam und zu den Scharen von El Hadd gehörte, zu gleicher Zeit deutete Halef nach Süden, wo auf einem langgestreckten, niedrigen Hügel der Anfang einer sich vorwärtsbewegenden Linie erschien, um sich über ihn herabzuziehen.
„Dort kommt, wie es scheint, eine lange, sehr lange Karawane“, sagte er. „Wer mag das sein?“
„Das sind sie“, antwortete der Ussul. „Sie sind mir schneller gefolgt, als ich dachte.“
„Wie mich das freut!“ rief Merhameh, die kleinen, lieben Hände froh zusammenschlagend. „Da naht ja die ‚Güte der Menschen‘, von der ich soeben sprach. Das ist ja Gesetz im Reich der Liebe: Kaum hat man das Gute gewünscht, so ist es schon unterwegs! Komm, Vater, wir reiten ihnen entgegen; ich möchte die erste sein, die sie begrüßt!“
Er nickte einverstanden; sie ritten miteinander fort. Inzwischen war der El Hadd herangekommen. Er wandte sich an seinen Scheik und meldete:
„Der ‚Panther‘ scheint entkommen zu sein; mit wieviel Leuten, kann man noch nicht sagen. Wahrscheinlich geschah das in den Augenblicken, in denen auch wir von der Zerstörung zurückweichen mußten, um nicht mit getroffen zu werden. Die Reiter von Dschinnistan ziehen sich nun wieder zur Platte
Weitere Kostenlose Bücher