25 - Ardistan und Dschinnistan II
erfahre –, aber das ändert nichts an dem Gehorsam, den ihr mir schuldet. Wenn man euch fragt, werdet ihr sagen, daß ich nicht der Mann gewesen bin, der mit euch in der Kirche war und die Unbedachtsamkeit beging, sich an der Zündschnur zu vergreifen! Ich befehle es!“
„Es zu befehlen, bleibt dir unbenommen“, antwortete ich ruhig. „Wir aber sind weder Untertanen von dir, noch stehen wir in deinen Diensten. Und selbst wenn dies wäre, so würde es uns um keines Kaisers oder Königs willen einfallen, etwas zu sagen, was eine Lüge ist!“
„Ihr müßt, ihr müßt!“ herrschte er mir zu. „Ihr befindet euch in meiner Gewalt. Es bedarf nur eines Winkes von mir, so seid ihr verloren!“
„Du irrst“, lächelte ich. „Wir stehen in Gottes Hand, nicht aber in der deinen. Und was den Wink betrifft, von dem du sprichst, so brauche ich nur meine Hand zu rühren, um zu erreichen, daß unsere Hunde dich sofort in Stücke reißen. Schau sie an, und nimm dich in acht! Sie dulden nicht, daß man in diesem Ton zu uns redet!“
Obgleich er sie vorhin gefüttert hatte, zeigten ihm jetzt alle vier Hunde ihre drohenden Zähne. Hu und Hi hatten sich gerade vor ihn hingestellt und richteten ihre Aufmerksamkeit ausschließlich nur auf ihn. Sie waren bereit, sich sofort auf ihn zu werfen. Aacht und Uucht aber, meine beiden, waren intelligenter und auch mit feineren Sinnen begabt. Sie drohten ihm zwar auch, doch waren ihre Augen mehr nach der Tür als auf ihn gerichtet, als ob da draußen jemand stehe und uns belausche. Der Mir bemerkte das ebensogut wie ich. Er trat schnell hinaus und fragte den Gang hinauf und hinab, ob jemand hier sei. Niemand antwortete. Er fragte zum zweiten und zum dritten Mal, doch ebenso ohne Erfolg. Da kam er wieder herein und sagte:
„Das kommt mir verdächtig vor! Wären eure Hunde mein, so schickte ich sie jetzt hinaus, um –“
Ich war ganz seiner Meinung. Ich wartete gar nicht, bis er ausgesprochen hatte, sondern ich gab den betreffenden Wink, worauf Aacht und Uucht sofort aus dem Zimmer verschwanden. Im nächsten Augenblicke hörten wir ein Geschrei. Das war Uucht. Sie war verwundet worden. Gleich darauf hörten wir ihr zorniges Knurren, in welches Aacht einstimmte. Knochen krachten; mehrere Menschen riefen um Hilfe. Hu und Hi stürzten auch hinaus. Es gab noch einige Schreie und wiederholtes Knacken und Splittern von Knochen; dann war es still. Wir eilten mit dem Licht hinaus. In einiger Entfernung von unserer Wohnung und zwar nach der Seite, wohin der Mir sich zu entfernen hatte, lagen vier Menschen, und bei jedem stand einer der Hunde. Uucht blutete. Sie hatte einen Stich in den Hals bekommen, doch war er nicht gefährlich. Von den vier Personen lebte keine mehr. Ihre zerbissenen Gurgeln hingen heraus und ihre Vorderarme, mit denen sie sich gewehrt hatten, waren vollständig zermalmt.
„Kennst du sie?“ fragte ich den Mir, indem ich den Schein des Lichts auf ihre Gesichter fallen ließ.
Er schaute nieder und antwortete erstaunt:
„Der Leutnant von der heutigen Wache mit drei Soldaten! Was wollte er hier, wo er nichts zu suchen hat? Warum antwortete er nicht, als ich fragte? Auf wen war es abgesehen? Auf mich oder auf euch? Ihr seht, sie waren scharf bewaffnet!“
Ich mußte sofort an den ‚Panther‘ denken, den zweiten Prinzen der Tschoban, sagte aber nichts, sondern erkundigte mich:
„Die drei Soldaten sind gleichgültig. Aber kennst du die Familie des Leutnants?“
„Ja.“
„Wer und was ist sein Vater?“
„Er ist tot. Auch er war Offizier; aber ich ließ ihn wegen Ungehorsam erschießen.“
„Und das hinderte nicht, daß der Sohn wieder Offizier wurde?“
„Vielleicht bei euch, aber nicht in Ardistan. Ich werde sofort selbst nach der Wache gehen und diese Sache untersuchen.“
„Das würde ich nicht tun. Wo wohnt dieser Leutnant?“
„In der Nähe des Schlosses, bei seiner Mutter.“
„Der Witwe dessen, den du hast erschießen lassen?“
„Ja.“
„Wer wohnt noch mit in demselben Hause?“
„Ein Bruder des Erschossenen, weiter niemand.“
„So kannst du höchstwahrscheinlich bei dieser Mutter und seinem Bruder mehr erfahren als auf der Wache. Nur darfst du keine Zeit verstreichen lassen und mußt selbst gehen. Die Persönlichkeit hat zu wirken.“
Er sah mir einige Augenblicke lang still in das Gesicht und sagte dann:
„Warum kommt mir dieser dein Rat so selbstverständlich vor, obwohl er gegen alle Regeln und Gepflogenheiten streitet? Ist
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