25 - Ardistan und Dschinnistan II
bringen können. Das mußte etwas sehr Wichtiges und ihn Belastendes sein, sonst hätte er nicht das große Wagnis unternommen, hierher zurückzukehren. Ich steckte das Werkzeug zu mir und ging dann zu ihm hinaus, um ihn hinunter- und an der Wache vorbeizuführen. Nachdem ich das in scheinbarer Ruhe und Gleichgültigkeit getan und er sich entfernt hatte, eilte ich so schnell wie möglich nach dem Privatstall des Mir, wo auch unsere beiden Pferde standen. Da waren mehrere Mann der Stallwache munter. Ich fragte, ob einer von ihnen die vor der Stadt liegende Wohnung des Basch Islami kenne. Sie kannten sie alle. Ich befahl dem, der am besten Bescheid zu wissen schien, sich schnell aufzusetzen und mit mir zu reiten, um sie mir zu zeigen. Erst zu satteln, gab es keine Zeit. Wir verließen das Schloß durch ein Seitentor und durcheilten so schnell wie möglich die vollständig finsteren Gassen und Straßen. Das Gebäude, welches ich suchte, war das letzte aller Häuser auf dieser Seite. Es lag in der Nähe eines kleinen Wäldchens, in welchem wir abstiegen und die Pferde anbanden. Auch die Hunde mußten dableiben; der Reitknecht ebenso. Ich aber näherte mich dem Haus. Da stampfte ein Pferd. Ich schlich mich möglichst leise hin. Es gab da eine Gartenmauer mit einem kleinen Kiosk nach innen. Außerhalb der Mauer aber war ein Pferd angebunden, mit dem aus dem Kiosk heraus eine weibliche Stimme liebkosend sprach. Hier handelte es sich jedenfalls um ein privates Stelldichein und um ein politisches Geheimnis zu gleicher Zeit. Der alte Basch hatte getan, als ob er der Oberste der Verschwörer sei. Nach seiner Meinung war er es vielleicht auch. Ich aber hielt den ‚Panther‘ für die eigentliche Seele des Aufstands. Diese beiden Männer standen jedenfalls in näherer Beziehung zueinander, als sie wissen lassen wollten. So wahnsinnig das auch klingen mag, ich hielt den ‚Panther‘ für den Nachfolger, der dem jetzigen Mir gegeben werden sollte, und hatte aus diesem Grund vorhin angenommen, daß er, nachdem er mich verlassen hatte, den Basch Islami aufsuchen werde, und war hierhergeritten, um mich zu überzeugen, ob ich da irre oder nicht.
Die Mauer war nicht sehr hoch, aber ziemlich breit und von allerlei Buschwerk überwachsen. Auch unten stand Gebüsch, von dem das fressende Pferd sich Zweige riß, deren lautes Prasseln und Knacken sehr geeignet war, mir ein unhörbares Verbergen zu ermöglichen. Ich schwang mich also in gehöriger Entfernung auf die Mauer hinauf und kroch auf derselben hin, bis ich die unmittelbare Nähe des Kiosks erreichte. Dort schob ich mich langsam und äußerst vorsichtig in das Gezweig hinein. Das Rauschen der Blätter, welches ich verursachte, wurde von dem Geräusch, welches beide, das Pferd und das Frauenzimmer, machten, vollständig verschlungen. Ich stieß mit dem Kopf an die Holzwand des Kiosks. Ich lag also so nahe, daß ich alles hören konnte, was hier gesprochen wurde, und brauchte nur darauf zu achten, mich nicht etwa durch Niesen oder Husten zu verraten.
Wenn mich nicht alles trog, so befand sich die Insassin des Kiosks in außerordentlich zärtlicher Stimmung. Sie sprach mit dem Pferd wie mit einem Menschen. Sie offenbarte ihm, sie ‚ihn‘ außerordentlich liebe und daß sie alles aufbieten werde, daß ‚er‘ an die Stelle des jetzigen Mir gelange. Sie schüttete nach und nach ihr ganzes Herz aus, wodurch ich erfuhr, daß ‚seine‘ Liebe nicht so groß und ehrlich sei wie die ihrige. Sie gestand dem Pferd, daß es bange Stunden gebe, in denen sie an ‚ihm‘ zweifle und ‚ihn‘ für einen Betrüger halte, der ihr nur darum Liebe heuchle, um ihren Vater und dessen Einfluß für seine Pläne zu gewinnen. Gerade als sie mit ihrer Aufrichtigkeit bis zu diesem Punkt gekommen war, ließen sich Schritte hören, die sich schnell näherten.
„Er kommt; er kommt! Nun freue dich; er kommt!“ sagte sie zum Pferd.
Und sie hatte recht; er kam. Es war der ‚Panther‘.
Aber das Tier hatte keine Ursache, sich über sein Kommen zu freuen. Er befand sich in äußerst schlechter Laune. Er öffnete die Zügel, riß das Pferd vom Zaun weg, daß das Gebiß in die Lippen schnitt und es vor Schmerz aufstöhnte. Dann schwang er sich auf, grub dem armen Geschöpf die Sporen derart in das Fleisch, daß es vom Schmerz kerzengerade in die Höhe getrieben wurde, und fluchte dabei:
„Allah verdamme die Beine, auf denen man läuft, während man doch Pferde hat, um zu reiten! Welche Zeit habe ich
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