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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Evangelium zu Ende gelesen hatte, gab mir die Begleitung des Lobgesangs eine treffliche Gelegenheit, nun auch die zarten, milden Register der Orgel erklingen zu lassen. Ich liebe da ganz besonders vox humana, flauto amabile und viola di gamba. Während des Vorspiels dachte ich an die alte Weissagung, daß hier in diesem Raum zur Zeit der Erfüllung nicht nur die Güte und die Barmherzigkeit ihre Stimme erheben, sondern auch Töne erklingen würden, die man hier in diesem Land noch niemals gehört habe. Daß dies in höherer, humaner, ethischer und menschheitsgeschichtlicher Beziehung gemeint sei, darüber gab es für mich keinen Zweifel. Aber zum Menschenauge sprechen nahehängende Bilder deutlicher als ferne, und so mochten die Stimmen von Abd el Fadl und Merhameh und die Töne meiner Orgel immerhin ihre naheliegende Geltung behalten. Ich nützte die drei angegebenen Register so viel wie möglich aus, die beabsichtigte Wirkung zu erzielen, und da man bekanntlich die beste Wirkung oft gerade nur mit den einfachsten und bescheidensten Mitteln erreicht, so ist es wohl keine Überhebung von mir, zu erwähnen, daß mein ‚orgeltretender‘ Halef sagte, es sei ganz so gewesen, als ob Engel miteinander sprächen. Er übertrieb bekanntlich gern, aber in diesem halb oder dreiviertel wilden Land war es gewiß kein Wunder, daß gerade die zarten, reinen, der Menschenstimme ähnlichen Klänge der vox humana den Erfolg fanden, den Halef in dieser seiner überschwenglichen Weise beschrieb.
    Der Lobgesang den Abd el Fadl und Merhameh vortrugen, war, wie ich bereits erwähnte, ein Duett mit arabischem Text. Der letztere bestand aus einer wörtlichen Übersetzung folgender Verse des hundertunddritten Psalms: „Meine Seele und alles, was in mir ist, lobe den Herrn und seinen heiligen Namen. Lobe, meine Seele, den Herrn. Der dein Leben vom Untergang erlöset und der dich krönet mit Gnade und Erbarmen. Der Herr ist gnädig und barmherzig langmütig und von großer Güte. Er zürnet nicht immer, und er drohet nicht ewig. So hoch der Himmel über der Erde ist, so mächtig ist seine Barmherzigkeit über die, so ihn fürchten. Die Barmherzigkeit des Herrn währet von Ewigkeit zu Ewigkeit. Lobet den Herrn, all seine Heerscharen ihr. Lobet den Herrn, ihr all seine Werke. An allen Orten seiner Herrschaft lobe, meine Seele, den Herrn!“
    Abd el Fadl besaß einen schönen, kräftigen Bariton und seine Tochter einen Mezzosopran, von dem man meinen konnte, daß er nicht aus der Brust, sondern aus der Seele komme. Ich bin nicht Musikrezensent und unterlasse es daher, mich über den Vortrag des Duetts zu äußern. Aber ich darf nicht verschweigen, daß seine Wirkung eine große, eine außerordentliche war. Wo gab es hier, im hintersten Orient, wohl jemand, der schon so etwas gehört hatte! Also schon die Seltenheit wirkte. Sodann auch das Geheimnisvolle. Man sah den Sänger und die Sängerin nicht. Sie standen beide hinter Weihnachtsbäumen. Ebenso auch der Orgelspieler. Die Menge des Lichtes, die den weiten Raum erfüllte, schien hörbar geworden zu sein. Die vielen, verschiedenen Klangfarben der Orgeltöne waren wohl geeignet, Illusionen zu erwecken. Man begriff sie nicht. Und der Bariton schien aus der Erde, der Sopran aber vom Himmel zu kommen. Die Zuhörer schauten zuweilen überrascht nach oben, zuweilen schnell wieder herab, je nachdem der Vater oder die Tochter einsetzte. Und überdies war es das ganze Milieu, welches gewiß ebenso wirkte wie der Vortrag an sich selbst. Am tiefsten ergriffen von allen, die es hörten, war vielleicht der Mir. Wenn ich mich zur Seite wandte, konnte ich ihn gerade noch sehen. Sein Gesicht war ganz anders als sonst. Es war, als sei er in eine Handvoll warmen, frohen Sonnenscheins gehüllt, den man unmöglich mit dem Schein der Kerzen verwechseln konnte. Es schienen von seinem Gesicht leise, heimliche Strahlen auszugehen, die er gern verbergen wollte. Die Augen seiner Frau, die sich endlich, endlich nun einmal glücklich fühlte, hingen fast nur an ihm. Wie freute sie sich! Und auch die Kinder sahen öfter zu ihm auf, als es sonst zu geschehen pflegte. Ich sah, daß er wie erschrocken zusammenfuhr, als ich ihm am Schluß des Lobgesangs aus seinem Entzücken riß, indem ich zu dem Kirchenlied hinüberleitete, welches dem Duett zu folgen und die Festpredigt einzuleiten hatte.
    In dieser letzteren zeigte sich der Oberpriester als ein Redner, der es sehr wohl verstand, seine Hörer hinzureißen. Seine Rhetorik

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