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25 - Ardistan und Dschinnistan II

25 - Ardistan und Dschinnistan II

Titel: 25 - Ardistan und Dschinnistan II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zu verzichten, besonders auch auf die erhebenden Wechselgesänge zwischen dem Geistlichen und der Gemeinde. Ein Kirchenlied; hierauf die Verlesung der Weissagungen und des Evangeliums vom Altar aus; dann Abd el Fadls und Merhamehs Lobgesang; ein zweites Kirchenlied, dem die Festpredigt von der Kanzel aus zu folgen hatte; sodann ein kurzes, drittes Lied; der vom Altar aus gesprochene Segen und endlich ein allgemeiner Schlußgesang, der den Dank der Gemeinde brachte. Das war der Inhalt, oder sagen wir, das Programm der heutigen Feier, die an den würdigen Basch Nasrani ganz ungewöhnlich schwere Forderungen stellte, weil er es noch nicht mit einer festgeschlossenen Gemeinde, sondern nur erst mit einer ungeordneten und ungeübten Zuhörerschaft zu tun hatte, die nur durch den Eindruck dessen, was ihr geboten wurde, zu fassen und zu erheben war. Es galt vor allen Dingen zu begeistern, und das gelang ihm allerdings im vollsten, reichsten Maß. Wir hatten uns aber auch tüchtig eingeübt, Abd el Fadl, Merhameh und ich. Das war besonders von meiner Seite aus sehr notwendig gewesen, weil ich kaum so spielen konnte, wie in Deutschland jeder gute Dorfkantor oder Dorfschulmeister spielt. Die frühere Fertigkeit war dahin; die Übung fehlte; die Finger wollten nicht mehr mit. Wie gern hätte ich den Orgeldienst einem anderen, besseren überlassen, aber es gab eben keinen anderen. Darum freute es mich doppelt, daß alles gut und so verlief, wie es von uns gewünscht worden war, einen einzigen, häßlichen Vorgang abgerechnet, der aber nicht von uns, sondern von dem Maha-Lama von Ardistan veranlaßt wurde. Dieser mächtige Herr, der sich infolge seines sogenannten geistlichen Amtes für höherstehend hielt als selbst der Mir, hatte bisher nur abgewartet und sich ganz ruhig verhalten. Heut trat er nun aus dieser Ruhe heraus, und zwar mit einer Demonstration, die so gewagt und unbesonnen war, daß jeder andere an seiner Stelle sie wahrscheinlich unterlassen hätte.
    Das erste Lied war gesungen, und die Verlesung der Weissagungen hatte begonnen. Ich stand von der Orgelbank auf, um nun erst jetzt den Anblick des Raumes, dem ich bisher den Rücken zugekehrt hatte, zu genießen. Hoch oben leuchtete der ‚Stern von Bet Lahem‘. Die ganze, als Firmament der Davidsstadt gedachte Kuppel erglänzte von seinem Licht. All die unzähligen, kleinen, flackernden und flimmernden Lichter der Erde strebten, von grünen Bäumen, Ästen und Zweigen getragen, ganz unten beginnend, über alle Chore und Emporen, von Bank zu Bank, von Platz zu Platz zu diesem Stern und zu diesem Firmament hinauf. Es war etwas nicht nur hier in diesem fremden Land, sondern auch von mir in der Heimat noch nie Gesehenes. Es war, als ob ich mich an einem überirdischen, mir völlig unbekannten, innerlich mir aber doch vertrauten Ort befinde und nicht etwa in einem Haus, von Menschen gemacht. Denn die Mauern und Wände waren unter dem Tannengrün verschwunden. Hinter den Bäumen, weit über sie hinaus, schien eine neue, heilige, zauberische Welt des Lichts zu liegen, eine Welt der gelösten Rätsel, der aufgeklärten Geheimnisse, der erfüllten Hoffnungen und Wünsche. Und mitten aus der ringsum brennenden Frage, woher uns diese Lösung, diese Aufklärung und diese Erfüllung kommen werde, ragte der Hochaltar als sich von der Erde bis zum Himmel erhebende Antwort empor, mit seinen drei laut sprechenden Figuren, die von der allgemeinen Fülle des Lichtes nicht etwa nur bestrahlt, sondern auch innerlich so durchdrungen wurden, daß sie nicht mehr irdisch zu sein schienen und grad darum auch nicht mystisch, sondern erklärend und überzeugend wirkten.
    Indem ich dies alles auf mich wirken ließ, war der Basch Nasrani in seiner Vorlesung bis an das Evangelium der Geburt gekommen, Lukas, Kapitel zwei. Er las soeben die Engelsworte „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede –“‚ da hielt er inne. Er war dazu gezwungen, denn es erhob sich draußen vor dem offenstehenden Haupttor ein Lärm, der ihm nicht erlaubte, fortzufahren. Man hörte Peitschen klatschen. Die eng zusammenstehenden Menschen wurden auseinandergedrängt. Vorläufer erschienen, die mit lauten Rufen und drohenden Karbatschen Bahn brachen, hinter ihnen drei große, umfangreiche Staatssänften, die kleinen Gebäuden glichen und von je acht dienenden Lamas getragen wurden. Sie drangen herein in die Kirche, wo die Andächtigen so dicht standen, daß es selbst für einen einzigen Menschen keinen Raum mehr zu geben

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